Hartz-Kommission - Berliner Schloss-Platz - Wahlkampf

Petra Pau auf der Pressekonferenz des Parteivorstandes der PDS am 8. Juli 2002, Berlin

I. Thema: Hartz-Kommission

1. 

Grundsätzlich
 
Alles was hilft, Arbeitslose menschenwürdig und sozialgerecht in Arbeit zu bringen, findet von jeher die Unterstützung der PDS.
Alles was bewirkt, Statistiken zu schönen oder Betroffene zu knechten, wird auch künftig von der PDS abgelehnt.
Ich setze das voran, weil die öffentliche Debatte zum Teil nach dem Muster läuft: Wer für „Hartz“ ist, ist ein Reformer, wer gegen „Hartz“ ist, ist ein Blockierer.
So einfach ist es nicht.

2. 

Das Viertel-Problem
 
Die „Hartz“-Kommission befasst sich mit einer Frage: Wie können Arbeitslose und freie Stellen besser zusammengebracht werden?
Das ist wichtig, umfasst aber bestenfalls ein Viertel des Problems. Mit dem Generalmanko, nämlich dass Millionen Arbeitsstellen fehlen, befasst sich die „Hartz“-Kommission nicht.
Sie kann das eigentliche Dilemma daher nicht lösen. Wer den gegenteiligen Eindruck erweckt, lügt.

3. 

Ost-Gift
 
Das wird schnell deutlich, wenn man auf die neuen Bundesländer schaut. Wo keine freien Stellen sind, könne auch keine vermittelt werden.
Mehr noch: Die Hartz-Medizin kann sich als schweres Gift erweisen: Der Hauptwirkstoff fehlt, die Nebenwirkungen grassieren.
Etwa wenn noch mehr Menschen, vor allem junge, in die alten Bundesländer „verschickt“ werden, anstatt mit ihnen einen selbsttragenden Ost-Aufschwung einzuleiten.
Deshalb nimmt im arbeitsmarktpolitischen Sofortprogramm der PDS der Vorschlag eines Kommunalen Infrastrukturprogramms großen Raum ein.
Übrigens: Dass Bundeskanzler Schröder und sein Herausforderer Stoiber, die „Hartz“-Vorschläge fast bedingungslos begrüßen, zeigt erneut: Ost-Kompetenz = Fehlanzeige!
Dieses Konzept ist ein „Entvölkerungsprogramm“ für den gesamten Osten und für strukturschwache Regionen im Westen.

4. 

Positiv-Ansätze
 
Die PDS unterstützt Vorschläge, die das Selbstwertgefühl von Arbeitslosen stärkt und die Rückkehr in den aktiven Arbeitsprozess befördert.
Dazu kann auch Zeitarbeit gehören. Vorausgesetzt, es geht nicht um Dumping und Zwang.
Die PDS unterstützt Vorschläge, die älteren Arbeitslosen einen früheren Eintritt ins Rentenleben ermöglichen. Vorausgesetzt, es geschieht freiwillig und nicht als Ablasshandel.
(Der 55-Jahre-Vorschlag steht übrigens im vernünftigen Gegensatz zu den Plänen des Arbeitgeber-Flügels, das Renten-Alter anzuheben.)
Die PDS unterstützt Überlegungen, die letztlich auf eine soziale Grundsicherung hinauslaufen. Vorausgesetzt, das Solidar-Prinzip wird nicht zerschlagen, sondern erneuert.

5. 

Wahlkampf
 
Das Gesamt-Konzept der „Hartz“-Kommission liegt noch nicht vor, ergo kann es auch noch keine General-Einschätzung geben.
Alles andere wäre, ist purer Wahlkampf.

II. Berliner Schloss-Platz

1. 

Der Bundestag hat am Donnerstag einen Beschluss zur Zukunft des Berliner Schloss-Platzes gefasst.
Mit 2/3-Mehrheit und das ist ein Pfund, das wir respektieren.

2. 

Gleichwohl hinterlässt er unbeantwortete Fragen. Auf drei möchte ich verweisen und Widerspruch anmelden.
 
a) Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat gesagt:
„Hier entscheidet der Souverän als Bauherr!“
Wenn das so ist, wie der Bundestagspräsident behauptet, dann hat er namens des Bundes die Bauherrenschaft und damit die Finanzierung übernommen.
Ich bezweifle, dass dies der Haushalts-Ordnung des Bundestages entspricht. Und ich bezweifle, dass er meint, was er gesagt hat.
Aber er hat es gesagt, als Abgeordneter.
 
b) Wolfgang Thierse hat sich für ein Nutzungs-„Projekt“ ausgesprochen:
Zitat: „ein großes Museum im Zentrum der Hauptstadt“.
Das mag in der allgemeinen Debatte untergegangen sein, aber auch das hat er gesagt.
Ich halte das für sehr rückwärtig und wenig zukünftig.
D.h.: Die Debatte um das inhaltliche Konzept ist für mich, für die PDS und für die Berlinerinnen und Berliner nicht beendet.
 
c) Mit dem Bundestags-Beschluss gelten die Süd-, West- und Nord-Fassade des einstigen Schlosses als gesetzt.
Das bedauere ich. Aber: Die Ost-Seite ist - im Doppelsinn - offen.

III. Wahlkampf

1. 

Frieden
 
Die bekannt gewordenen Angriffspläne der USA und Großbritanniens gegen den Irak betrachten wir mit großer Sorge. Die Haltung der Bundesregierung dazu ist im besten Falle ausweichend. Erst jüngst in seinem Interview mit der Super Illu hat Bundesaußenminister Fischer eine Beteiligung Deutschlands nicht definitiv ausgeschlossen.
Die PDS wird deshalb die Frage, ob Deutschland sich an einem Krieg gegen den Irak beteiligt, neben der sozialen Gerechtigkeit und der Zukunft für den Osten in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellen.
Eine starke PDS im Bundestag ist unabhängig von allen Konstellationen das eindeutige Signal, dass die Wählerinnen und Wähler gegen eine Beteiligung Deutschlands aussenden können.

2. 

Duell
 
Das erste sogenannte Duell zwischen Kanzler Schröder und Kandidat Stoiber hat noch einmal deutlich gemacht, wie nah beieinander die beiden Kontrahenten eigentlich sind. Unter diesen Umständen wird ein Duell endgültig zur Farce.
Die demokratische Wirklichkeit in Deutschland wird mit dem Duell auch nicht annähernd erfasst. Sie hat mehr Facetten als die zwei müden Streithähne bieten können.
Wir fordern Schröder und Stoiber auf, sich statt eines Austauschs von Worthülsen der Auseinandersetzung mit den Spitzen der anderen Bundestagsparteien zu stellen.

3. 

Wahlkampf
 
Die PDS wird in den kommenden Wochen die Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Hartzkommission forcieren. Schon morgen werden wir vor zahlreichen Arbeitsämtern mit den Betroffenen ins Gespräch kommen und uns über ihre Meinung informieren.
Am Donnerstag wird am Reichstagsufer das Schiff getauft, mit dem die Erstwählerkampagne der PDS ab kommendem Montag zu Wasser und zu Lande gestartet wird. Von Königstein in Sachsen bis Lübeck in Schleswig-Holstein wird der Kahn der jungen Leute auf der Elbe unterwegs sein und unter dem Motto „Das Leben ist Deine Party“ mehr Selbstbestimmung für junge Leute, eine bessere Bildung und mehr Chancengerechtigkeit einzufordern. Mit dabei werden mit Sandra Brunner, Diana Gnorski, Arne Seeliger, Stefan Liebich, Torsten Bachmann, Sebo Karakoc allein sechs junge Menschen sein, die als authentische Angehörige der U30-Generation deren Interessen im nächsten Bundestag vertreten werden.
Die PDS greift mit dem heutigen Tag einen Vorschlag ihres Landesverbandes Sachsen auf und wird in den Wochen bis zum Wahltag dafür sorgen, dass in jedem Dorf, in jeder Gemeinde unter 1000 Einwohner zumindest im Osten die PDS erlebbar und befragbar ist. Mit Infoständen, Aktionen und der Wahlzeitung der PDS können die Menschen vor Ort überprüfen, warum es sich lohnt PDS zu wählen.
Das Spitzenteam de PDS geht ab morgen in wechselnder Zusammensetzung auf Tour. Ich werde in den nächsten vier Tagen in Bayern und Baden-Württemberg unterwegs sein. Gabi Zimmer unternimmt ab dem 22. Juli eine ausgedehnte Tour durch das ganze Bundesgebiet und ist damit zwei volle Monate praktisch ununterbrochen im Wahlkampf. Roland Claus und Dietmar Bartsch werden ihre Touren eine Woche später beginnen. Dietmar Bartsch wird u.a. in der ersten Augustwoche entlang der Ostseeküste von Ost nach West unterwegs sein. Wir setzen dabei vor allem darauf, dass wir nicht von Termin zu Termin hetzen, sondern uns wirklich Zeit nehmen zum Gespräch mit den Wählerinnen und Wählern.
Anders als die anderen Parteien setzen wir nicht auf ein mehr oder weniger großes Guido - oder Angela - Mobil, sondern auf viele kleine Mobile vieler Kandidatinnen und Kandidaten, die im ganzen Land agieren. Mein eigenes hat in den letzten zwei Wochen nur in Berlin schon über 1000 km auf dem Tacho. Um den Wählerinnen und Wählern - und natürlich Ihnen, meine Damen und Herren, einen Überblick über die Vielgestaltigkeit des mobilen Wahlkampfes der PDS zu geben, werden wir mit allen Mobilen an einem der Juli - Wochenenden in Berlin präsent sein.
 

Berlin, den 8. Juli 2002

 

 

8.7.2002
www.petra-pau.de

 

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