Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
gerne hätte ich heute an der Gedenkveranstaltung teilgenommen, so, wie in den vergangenen Jahren auch. Gern wäre ich auch der Bitte gefolgt, direkt zu Ihnen, zu euch, zu sprechen. Aber ich bin derzeit in Israel, wo ich als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und als Linke an einer internationalen Konferenz gegen Antisemitismus teilnehme.
Ich habe auf dieser Konferenz gesprochen und unter anderem klar gestellt: Antisemitismus ist keine politische Kritik, sondern eine menschenverachtende Ideologie. Er ist nicht verschwunden, es gibt ihn nach wie vor. Wer meine Rede in Jerusalem nachlesen, nachhören oder anschauen will, kann das übrigens tun. Sie steht im Internet auf meiner Web-Seite als Text, als Audio und als Video.
Darin habe ich auch kritisiert, dass maßgebliche Politiker erwägen, die bundes-deutsche Gedenk- und Erinnerungskultur neu wichten. Und zwar nach dem fatalen Motto: Der NS-Verbrechen würde genügend gedacht, nun gehöre die DDR ins Zentrum. Ich habe gesagt: Wer das ernsthaft will, relativiert und verharmlost das NS-Regime, letztlich auch den einmaligen Holocaust, und das ist nicht hinnehmbar - nicht im Rückblick und nicht für die Zukunft.
In Israel hatte ich bereits sehr bewegende Begegnungen, zum Beispiel mit Gabriel Bach. Er hat als einziger seiner Familie das KZ Auschwitz überlebt. Später, 1961, war er Generalstaatsanwalt in dem historischen Prozess gegen SS-Obersturmführer Eichmann. Heute ist Gabriel Bach 81 Jahre alt und noch immer unterwegs, um aufzuklären und zu mahnen, daheim, in den USA, in Europa.
Selbstverständlich habe ich auch die Gedenkstätte Yad Vashem besucht und den Millionen Opfern des Holocaust meine Ehre erwiesen - den Ermordeten, den Vertriebenen, den Erniedrigten, den Hinterbliebenen.
Nächstes Jahr werde ich - wenn es irgendwie geht - wieder in der Rosenstraße dabei sein. Denn dieser Gedenkort hat für mich eine besondere Bedeutung. Er zeugt vom verzweifelten Mut und von außerordentlicher Courage. Er hält die Erinnerung an ganz normale und zugleich außerordentliche Frauen wach, die selbst in der Nacht des Faschismus aufbegehrten, erfolgreich.
|