Nein, das war kein Intermezzo im
Sommerloch. Das war ein Stakkato
von immer mehr Sicherheitsmaßnahmen,
die verunsichern. So
jedenfalls kritisierte sogar Bundespräsident
Köhler den Bundesinnenminister
für dessen penetrante
Vorstöße. Ja, penetrant trifft es
vielleicht gut, denn neu waren die
Vorschläge von Wolfgang Schäuble
beileibe nicht: Bundeswehr im
Innern einsetzen, Computer online
untersuchen, persönliche Daten auf
Vorrat speichern, Handy-Verbote für
so genannte Gefährder, Verdächtige
sicherheitshalber internieren.
Jede einzelne dieser Maßnahmen
kollidiert mit dem Grundgesetz.
Das weiß natürlich auch Wolfgang
Schäuble. Denn als Innenminister
ist er zugleich für den Schutz der
Verfassung zuständig. Aber er löste
auch diesen inneren Widerspruch
mit einem schlichten Satz. Verliert
in Zeiten, da man nicht mehr zwischen
Krieg und Frieden unterscheiden
könne, nicht auch das Völkerrecht
und das Grundgesetz seine
Geltung? Ich frage ja nur, sagt er.
Aber er meine diese Frage ernst,
fügt er an. Latenter Krieg, permanent?
Wie selbstverständlich wurden
im Juni rund um den G8-Gipfel in
Heiligendamm Tornados und Spähpanzer
der Bundeswehr eingesetzt.
G8-Kritiker erlebten das als Bedrohung.
Ich fragte im Bundestag nach.
Das sei durch das Grundgesetz gedeckt,
erklärte mir die Bundesregierung.
Sie verwies auf Artikel 35. Da
steht wirklich, dass die Bundeswehr
notfalls auch im Inneren Amtshilfe
leisten darf - bei einem besonders
schweren Unglücksfall und bei Naturkatastrophen
großen Ausmaßes.
War der G8-Gipfel also ein schwerer
Unglücksfall oder eine große
Naturkatastrophe?
Der nächste Sicherheits-Coup
heißt Online-Untersuchung von
Computern. Das sei wie eine Hausdurchsuchung,
nur moderner, wird
beschwichtigt. Pustekuchen. Bei
Hausdurchsuchungen muss der Betroffene
dabei sein. Er kann Zeugen
hinzuziehen und seine Privatsphäre
schützen lassen. So will es der
Rechtsstaat. Von einer Beschlagnahme
aller Daten via Internet - ob
Liebesbrief, Bankverbindung oder
Testament - würden die Betroffenen
nicht einmal etwas merken. Heimlich
ist das Gegenteil von demokratisch.
Bürgerrechtler - es gibt noch
richtige und zunehmend mehr - zitieren
längst Big Brother aus dem
Buch von Georg Orwell. Der große
Bruder, der alles weiß und daher alles
beherrscht. Panikmache? Technisch
ist das möglich und zwar in
einem Ausmaß, das vor zwei, drei
Jahrzehnten noch undenkbar schien.
Umso sensibler reagiere ich - aus
Erfahrung klug - auf alle entsprechenden
Begehrlichkeiten.
Petra Pau
Vizepräsidentin des Bundestages
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