Sehr geehrter Herr Vaatz,
Sie haben sich mit einem offenen Brief an mich gewandt. Offene Briefe beantworte ich normalerweise nicht, da sie ja weniger an mich, sondern vielmehr an die Medien in der Hoffnung auf eine bestimmte Wirkung gerichtet sind. Anderenfalls hätte ich Ihren Brief ja auch von Ihnen bekommen und nicht zufällig im Ticker gefunden. Da Sie meine diesbezügliche Einstellung offenbar nicht kennen, mache ich diesmal eine Ausnahme und antworte Ihnen dennoch.
Sie verweisen auf eine Anzeige, die ich zum Tode von Markus Wolf mit unterzeichnet habe. Sie erklären, dass jeder das Recht hätte, um einen anderen zu trauern und niemand unterstellen solle, dass er die gleiche Gesinnung habe.
So weit, so gut. Dann verlassen Sie aber Ihren eigenen Vorsatz und unterstellen mir ständig Haltungen, von denen Sie wissen müssten, dass ich sie nicht habe.
Deshalb stelle ich klar:
1) Ich habe diese Anzeige als Privatperson gezeichnet, nicht namens der Fraktion DIE LINKE und schon gar nicht als Vizepräsidentin des Bundestages.
2) Meine Partei hat unwiderruflich mit dem Stalinismus gebrochen. Das habe ich immer befürwortet und befördert.
3) Ich bin nachvollziehbar in meiner Partei und öffentlich wiederholt dafür eingetreten, Unrecht, Schuld und Verbrechen, die namens des Sozialismus begangen wurden, aufzuarbeiten und nicht zu verklären.
4) Gerade auch als Lehre aus der gescheiterten DDR engagiere ich mich seit Jahren für mehr Demokratie, für Bürger- und Menschenrechte.
5) Ihre unhaltbare Unterstellung, ich sei daran interessiert, Demokratie zu beseitigen und einer Diktatur Vorschub zu leisten, ist infam und ehrabschneidend.
Nun noch ein paar Nachbemerkungen:
Vergleiche hinken immer, das ist auch bei Biografien so. Aber Vergleiche können vielleicht etwas verdeutlichen. Deshalb möchte ich Sie daran erinnern, dass sich in Ihrer Partei ein Hans Globke sehr wohl fühlte, der in der NS-Zeit die Kommentare zu den Nürnberger Rassegesetzen geschrieben hatte. Sie wissen sicher auch, dass Hans Filbinger als Mitglied Ihrer Partei Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg war, obwohl er bis zum April 1945 Todesstrafen gegen Soldaten beantragte, weil diese am Krieg Hitlers nicht mehr mitwirken wollten. Zu keinem Zeitpunkt würde ich Ihnen unterstellen, dass Sie so denken wie Hans Globke gedacht hatte oder Herr Filbinger gedacht haben muss.
Auch mit Markus Wolf machen Sie es sich etwas zu leicht. Sie verweisen auf die Zeit nach 1933. Er kämpfte damals nicht an der Seite der Nazis, sondern gegen sie. Er gehörte zu jenen, die spät, aber doch erkannten, das die DDR fehl konstruiert sei und dringend reformiert werden müsste. Natürlich ist er für alles mitverantwortlich, was zu seiner Amtszeit im Ministerium für Staatsicherheit geschehen ist. Das ist unstrittig. Umso engagierter kämpfte er später für die Erneuerung der SED zur PDS. Das wiederum war die Voraussetzung dafür, dass es heute eine demokratische Linkspartei gibt, die den Wunsch nach Demokratie nicht vorgibt, sondern weiß, wie angewiesen wir alle darauf sind.
Sofern Sie es wünschen, bin ich bereit, mit Ihnen bei einem Kaffee das Thema zu vertiefen.
Mit dennoch freundlichen Grüßen
Petra Pau
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