Die Tür ging auf, unverhofft: Hier bin ich, Graffunder, der Architekt. Das war meine erste Begegnung mit dem Schöpfer des Palastes der Republik. Damals, Anfang der 90er Jahre, wusste ich noch wenig von ihm. Wir saßen in kleiner Runde zusammen und wir hatten gerade einen Protestspaziergang geplant. Und tatsächlich kamen am 27. März 1993 Tausende, um gegen den geplanten Abriss ihres Palastes zu protestieren, natürlich auch Prof. Heinz Graffunder.
Von nun an trafen wir uns häufig, bei Beratungen, auf Podien, bei Protesten. Er kämpfte um seinen Palast, wir um unseren. Und immer ging es um mehr. Die darüber liegende Frage hieß: Was ist nach 40 Jahren DDR und ihrem Untergang erhaltenswert und wie lässt sich dies bewahren? Anfangs war viel Nostalgie im Spiel, auch Trotz. Doch zunehmend nahmen wir das neue Berlin auf und an. Und wieder war es Heinz Graffunder, der die Idee von einem Berliner Forum entwickelte, just da, wo der Streit Palast contra Schloss tobte, in Berlins Mitte.
Für mich fiel damals ein Bildungsprogramm ab. Graffunder, Flierl, Eisentraut und weitere, sie alle hatten geplant, gestaltet, kritisiert, nach Regeln, die ich nicht kannte, mit Problemen, die ich spürte, und mit Visionen, die ich neu suchte. Seither ging ich mit anderen Augen durch meine Stadt. Und überall stoße ich auf Zeugnisse von Graffunders Schaffen: In Lichtenberg, in den Rathaus-Passagen, am Strausberger Platz, daheim in Marzahn-Hellersdorf.
1926 geboren, schaffte es Graffunder im 2. Weltkrieg bis zum Notabitur. Später wurde er Bauarbeiter, dann studierte er in Neukölln erfolgreich Hochbau und Architektur. ‚Sein' erstes Haus wurde in Berlin-Steglitz gebaut. Es folgten viele, sehr viele. Oft bin ich im Alfred-Brehm-Haus im Berliner Tierpark. Den Bau-Fan, Prof. Heinz Graffunder, und den Tier-Narr, Prof. Heinrich Dathe, vereinte dort sichtbar ein weit reichender Gründer-Elan. Zoo-Anlagen in Rostock, Erfurt, Halle und in weiteren Städten tragen seither Graffunders Handschriften.
Seine Spuren wurden internationaler. Er gewann Architektur-Preise in Bulgarien und Spanien. Nach seinen Entwürfen wurde in Budapest und Wien gebaut. Er lehrte als Professor in Cottbus und Sofia. Prof. Graffunder war auf internationalen Kongressen gefragt als Experte aus der DDR. Vor zehn Jahren, am 9. Dezember 1994, starb er. Sein schriftlicher Nachlass ist in der Akademie der Künste archiviert, sieben laufende Akten-Meter.
Das gebaute Erbe ist vieler Orts zu finden. Neubau-Kieze in meinem Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf gehören dazu. Als sie wuchsen, war Dr. Günter Peters Stellvertretender Oberbürgermeister von Berlin (Ost) und zuständig für das Aufbau-Programm. Heute engagiert er sich ehrenamtlich im Bezirk. Und er ließ nicht locker, bis für seinen Weggefährten ein lesbares Zeichen gesetzt wird. Das geschieht heute. Ein Berliner Park wird nach Prof. Heinz Graffunder benannt.
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