... dass Mutter Goethe Freude hät'

Rede auf dem PDS-Neujahrsempfang in Marzahn-Hellersdorf
23. Januar 2004

Ich beginne mit Goethe, aber nicht standesgemäß. Denn das obligatorische Zitat ist nicht von Alt-Meister Johann Wolfgang, sondern von seiner Mutter.
„Man nehme 12 Monate“, schrieb sie, putze sie sauber von Neid, Bitterkeit, Geiz, Pedanterie und zerlege sie in 30 oder 31 Teile, so daß der Vorrat für ein Jahr reicht. Jeder Tag wird einzeln angerichtet aus 1 Teil Arbeit und 2 Teilen Frohsinn und Humor. Man füge 3 gehäufte Eßlöffel Optimismus hinzu, 1 Teelöffel Toleranz, 1 Körnchen Ironie und 1 Prise Takt. Dann wird die Masse mit sehr viel Liebe übergossen. Das fertige Gericht schmücke man mit Sträußchen kleiner Aufmerksamkeiten und serviere es täglich mit Heiterkeit." So weit Katharina Elisabeth Goethe - fast möchte man meinen, sie kannte die PDS oder Marzahn-Hellersdorf und einen Teil unserer Nöte. Jedenfalls finde ich ihren Neujahrs-Wunsch gut und angebracht, vielleicht ist er auch hilfreich.

Wir haben ein schwieriges politisches Jahr hinter uns - im Bezirk und im Land.
Und wer ein leichteres Neues verspricht, dürfte sich leider irren - die Verhältnisse sind nicht so. Die Haushaltnot im Land ist groß - das ist ein schweres Erbe. Die Spielräume im Bezirk sind eng - das ist eine große Herausforderung. Schon deshalb brauchen wir mindestens „3 gehäufte Esslöffel Optimismus“ und zuweilen mehr als „1 Telelöffel Toleranz“.

Vor allem wünsche ich uns einen weiten Blick, weniger nach Innen, auf die eigene Befindlichkeit mehr nach Außen, auf die wahren Probleme. Das meine ich mit Blick auf die Partei, für die ich im Bundestag agiere. Das meine ich aber auch mit Blick den Bezirk und das Land. Ich werde zum Beispiel das Gefühl nicht los, dass unser Marzahner Freizeit-Forum nicht nur am fehlenden Geld krankt, sondern auch am mangelnden Miteinander.
Was empfahl Mutter Goethe? Putzt sie sauber - die Monate - von Neid und Bitterkeit, von Geiz und Pedanterie! Keiner Partei und niemandem nützt es unterm Strich, wenn der Befund lautet: Operation gelungen, Patient tot. Das würde auch keiner verstehen, zu Recht nicht. Dort, wo ich helfen kann, will ich das gern weiter tun.
Und ich sehe hier viele, deren Herz oft uneigennützig für unseren Bezirk schlägt, ob in Initiativen oder Vereinen, ob als Unternehmer oder Seelsorger, ob als Verordnete oder Schüler.

Dieser Tage wurde das „Unwort des Jahres 2003“ gekürt. Ich hatte ein anderes vorgeschlagen, mein Favorit hieß „Reform„. Denn kein Wort wurde so missbraucht und ins Gegenteil verkehrt, wie „Reform“. Früher, sagen die Lateiner, bedeutete „reformare“ verbessern oder zurückgeben. Neudeutsch umschreibt es verschlechtern oder wegnehmen. Ich verweise nur auf die Hartz-Gesetze und die so genannte Gesundheits-Reform. Aber ich respektiere auch die Entscheidung der Jury. Zumal: „Reform“ ist an sich kein schlechtes Wort, im Gegenteil. „Tätervolk“ indes ist wirklich ein Unwort, ein gefährliches zudem.

Ich reiße dies alles kurz an, weil es uns alle berührt und betrifft: Die zunehmende soziale Schieflage ebenso, wie manch brauner Ungeist. Und auch der Friede bleibt unser Gebot, solange Kriege verbrochen werden und Europa gerüstet wird. Mit Alledem müssen wir uns auch 2004 auseinandersetzen und gemeinsam nach Auswegen suchen, nach besseren Verhältnissen - täglich mit 1 Teil Arbeit und 2 Teilen Frohsinn oder andersherum. Mein Vorschlag: Versuchen wir es heute Abend schon mal so, dass Mutter Goethe an uns ihre Freude hätte.
 

 

 

23.1.2004
www.petra-pau.de

 

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