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Der Rosenmontagskrieg

Es wäre einfach wunderbar! Die einen könnten am Rosenmontag den Narren spielen, die anderen ins Umland fliehen. Doch mit dem Konfettiverbot ist der Senat schneller als mit einem neuen Feiertag

von UWE RADA

Wie immer war es Jakob Maria Mierscheid. Der SPD-Bundestagsabgeordnete, der die Öffentlichkeit scheut wie der Teufel das Weihwasser, nicht aber ein klares Wort zur rechten Zeit, hat es aufgedeckt: Wenn am Sonntag 500.000 Narren zum Brandenburger Tor ziehen, „ist das Streuen von Konfetti verboten“.

So will es der Berliner Senat, der offenbar alles daran setzt, fröhliches Treiben und rheinischen Frohsinn mit preußischer Strenge zu unterbinden. Doch die Regelungswut geht noch weiter. „Kanonen dürfen nur als Dekoration im nicht betriebsfähigen Zustand mitgeführt werden.“ Jakob Maria Mierscheids Kommentar: „Scheint wichtig für Preußen und auch für Amerikaner.“

Nun wäre Jakob Maria Mierscheid nicht Jakob Maria Mierscheid, wenn ihm nicht an einem Ausgleich, gewissermaßen einem „Kulturvertrag“ zwischen Jecken und Nicht-Jecken gelegen wäre. Gegenüber der taz schlug er vor, zur Erhöhung der Akzeptanz den Rosenmontag als gesetzlichen Feiertag in Berlin festzulegen. Zwar wären ein paar mehr Feiertage auch in Ordnung, aber, so Mierscheid, „man ist in diesen Tagen bescheiden und mer nemme, wat mer kreje“.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Oder sollte Mierscheid etwa nicht geahnt haben, dass er damit die rot-rote Koalition in Berlin in arge Gewissensnöte bringt. Die Opposition jedenfalls hat Mierscheids Vorschlag sofort aufgegriffen. „Ich unterstütze die Forderung voll und ganz“, sagte der grüne Rechtspolitiker und ehemalige Justizsenator Wolfgang Wieland der taz. Wieland hatte dabei auch den karnevalskritischen Teil der Berliner im Auge, der einen Feiertag am Rosenmontag nutzen könnte, „um aufs Land zu fliehen“. Wieland wörtlich: „Ich fordere den Regierenden Bürgermeister auf, im Senat schnell für eine positive Entscheidung zu sorgen. Klaus Wowereit wäre schließlich geradezu prädestiniert dafür, auf einem Karnevalswagen zu stehen und Konfetti zu werfen.“

Der Senat ist alles andere als begeistert vom rot-grünen Rosenmontagsangebot. Zwar hat Klaus Wowereit bereits ein Grußwort an die Berliner Karnevalisten zugesagt, doch deren Umzug rollt nicht am Montag durch die Stadt, sondern bereits am - ohnehin freien - Sonntag. Wowereit gilt, trotz seines Rufs als Regierender Partymeister, als ausgesprochener Karnevalsmuffel.

Entsprechend verhalten waren die Reaktionen aus dem Berliner Landesverband der SPD. „Im Prinzip ist ein Feiertag mehr denkbar“, sagte Fraktionssprecher Michael Stadtmüller, „aber der Rosenmontag kommt nicht in Frage. Diesen Triumph wollen wir dem rheinischen Kulturimperialismus nicht gönnen.“

Weniger humorvoll zeigte sich PDS-Senatssprecher Günter Kolodziej. Er verwies auf die Kosten, die ein arbeitsfreier Tag allein für den öffentlichen Dienst kosten würde. Beim Koalitionspartner hatte man sich offenbar darauf geeinigt, Mierscheids und Wielands Forderung ins Lächerliche zu ziehen. „Mit einem Feiertag am Rosenmontag wären Konflikte programmiert“, meinte Kolodziej. „Dann würde auch die landeseigene Gender-Mainstream-Kommission demnächst fordern, die Weiberfastnacht zum Feiertag zu machen.“

Typisch Berliner PDS, sagte dazu die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau. „Was soll die Rücksicht auf einen Koalitionspartner, wenn man Teil jener viel größeren Koalition wäre, die es in Ermangelung eines freien Rosenmontags nach Köln zieht.“ Bereits beim Regierungsumzug hatte Pau deshalb gefordert, mit Parlament und Regierung auch alle Feiertage vom Rhein an die Spree zu bringen. Von dieser Forderung rückt sie auch heute nicht ab und schreibt den Berliner Parteifreunden ins Stammbuch: „Gerechtigkeit für alle!“

Sollte sich da ein neuer Rosenkrieg, gar ein Rosenmontagskrieg anbahnen? Um Gottes willen, funkte da Kultursenator Tjomas Flierl, trotz heftigen Schnupfens dazwischen. „Selbstverständlich sind für einen Feiertag am Rosenmontag, aber natürlich nur im Rahmen der Solidarpaktverhandlungen.“

Die hiesigen Karnevalisten reagierten verhalten auf die Feiertagsforderung. Der ehrenamtliche Pressesprecher des Berliner Karnevalsvereins und Ex-Senatssprecher Helmut Lölhöffel erinnerte daran, dass der Rosenmontag auch am Rhein kein gesetzlicher, sondern allenfalls ein faktischer Feiertag sei, und meinte salomonisch: „Wenn die Berliner am Rosenmontag frei haben wollen, werden sie sicher einen Weg dafür finden.“ Er verwies jedoch auf die Berliner und Cottbusser Tradition. „Hier findet Karneval eben am Sonntag statt.“

Jakob Maria Mierscheid, der den Umzug der Regierung einst vehement abgelehnt hatte, ist ob der ganzen Diskussion inzwischen zum Fundamentalisten geworden. „Rheinländer in Berlin müssen viel mehr als einen Tag länger arbeiten als im Rheinland, immer an den Prozessions- und Kostümtagen: Weiberfastnacht, Rosenmontag, Fronleichnam, Allerheiligen“ , ließ er per E-Mail mitteilen und überlegte, ob es sich beim Berliner Karneval nicht eh um ein grandioses Missverständnis handelt. Schließlich verbietet die Konfettiverbotsverordnung auch, dass in Berlin im Karneval Technomusik abgespielt wird. Mierscheids Kommentar: „Der Bonner denkt, warum auch immer. Aber es gibt ja auch andere Musik.“
 

 

 

1.3.2003
www.petra-pau.de

 

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