Anrede
Gabriel Bach lernte ich 2009 hier in Israel kennen.
Ich war beeindruckt von ihm.
Und schnell hatten wir ein sehr persönliches Verhältnis.
Er erzählte mir damals von seinen Erfahrungen mit den Nazis.
Ich hatte auf meiner Reise Personenschützer an meiner Seite.
Sie hörten uns ein paar Meter entfernt zu und kamen immer näher heran,
um ihn besser verstehen zu können. So etwas hätten wir in unserer Ausbildung gebraucht, sagte sie mir anschließend.
Gabriel Bach und ich blieben fortan in Kontakt.
Und es wurde zu einer guten Gewohnheit, dass er mich alljährlich
Silvester, punkt 16 Uhr, anrief und wir uns wechselseitig
Erlebnisse erzählten, aus der Politik, aus dem Leben.
Gabriel Bach wurde 1927 in Deutschland, konkret in Halberstadt geboren.
Dort, aber auch in anderen Städten habe ich ihn erlebt.
Er suchte das Gespräch mit Jugendlichen, zum Beispiel an Schulen.
Und er berichtete ihnen authentisch, wie es bald niemand mehr kann,
nämlich wie Jüdinnen und Juden durch Faschisten verfolgt, interniert und ermordet wurden. Das war ihm stets ein großes Anliegen.
2011 empfing ich ihn und seine Frau im Deutschen Bundestag.
Ich führte ihn durch die Gebäude, insbesondere zu den Gedenk- und Mahnmalen, die an die Zeit des Faschismus erinnern. Davon gibt es etliche.
Zum Beispiel Bücher mit den Namen aller Parlamentarier, die von den Nazis
gejagt und vernichtet wurden. Und das waren nicht nur Kommunisten, sondern Mitglieder aller demokratischen Parteien. Ein Foto von diesem gemeinsamen Rundgang soll von da an in der Wohnung von Gabriel Bach gehangen haben.
Natürlich erzählte er mir auch von Fritz Bauer, mit dem ihn gemeinsame Erlebnisse bei der Aufarbeitung des NS-Unrechts verbanden. Nicht zuletzt Bauer war es zu verdanken, dass der Ober-Nazi und Judenmörder Eichmann in Südamerika in seinem Nachkriegs-Exil aufgegriffen und in Jerusalem vor Gericht gestellt werden konnte. Gabriel Bach war dort einer der Ankläger.
Im Deutschen Bundestag arbeite ich als Innenpolitikerin.
Meine Pro-Themen sind Bürgerrechte und Demokratie,
meine Kontra-Themen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.
Regelmäßig frage ich die Bundesregierung, wie viele antisemitische Straf- und Gewalttaten sie registriert hat. Im IV. Quartal 2022 waren es 506,
also im Schnitt 5 ½ je Tag, Tendenz steigend.
Hannah Arendt hatte einst mit Blick auf die Zeit des Faschismus
und den Holocaust gemahnt: Das scheinbar Unmögliche ist geschehen
und was einmal geschehen ist, kann wieder geschehen.
Dagegen war Gabriel Bach unterwegs und darin hat er mich bestärkt.
Hass gegen Jüdinnen und Juden grassiert alltäglich, übrigens europa-weit. Antisemitismus darf daher nicht nur an Gedenktagen ein Thema sein. Notwendig ist auch eine bessere Bildung, die entsprechend sensibel macht,
zum Beispiel Polizisten, Juristen, Publizisten, auch Pädagogen.
Und noch etwas: Die meisten Kinder in Deutschland erfahren erstmals etwas über Jüdinnen und Juden, wenn sie bereits Jugendliche sind und im Geschichtsunterricht den Holocaust behandeln. Das ist zu spät und obendrein zu einseitig. Denn dadurch erscheinen Jüdinnen und Juden nur als Opfergruppe. Das ist zu wenig und wird jüdischer Kultur und jüdischem Leben nicht gerecht.
In diesem Sinne und Anspruch verneige ich mich vor Gabriel Bach
und bedanke ich mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit.
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