Zwei Jahre nach dem antisemitischen Anschlag in Halle

Beitrag von Petra Pau für die Fraktion DIE LINKE im Bundestag, 9. Oktober 2021

Am 9. Oktober 2019 versuchte ein Rechtsextremist in Halle/Sa. einen Massenmord an Jüdinnen und Juden. Mit Waffengewalt wollte er in die Synagoge eindringen, um die dort versammelten Personen zu töten. Das Datum war kein Zufall, denn es war Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag. Nachdem sein Sturm auf das Gotteshaus misslang, erschoss er zwei Passanten. Er wurde verhaftet und später zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die These vom Einzeltäter

Wie so häufig bei antisemitischen Straf- und Gewalttaten wurde unterstellt, es handele sich um einen Einzeltäter. Zweifel an dieser These sind fundiert und nötig. Dagegen spricht auch, dass er sich selbst als Teil eines Netzwerkes sah. Er filmte sein mörderisches Agieren und übertrug dies im Livestream, wohl ahnend, dass er dafür Fürsprache erhalten könnte.

Zudem zeigen Analysen, dass ca. 25 Prozent der Bevölkerung antisemitische Vorbehalte hegen, also gegen Jüdinnen und Juden sind, nur weil sie Jüdinnen und Juden sind. Damit knüpfen sie an den schlimmsten Teil deutscher Geschichte an, den Holocaust, den Völkermord an Jüdinnen und Juden in Nazi-Deutschland zwischen 1933 und 1945.

Vom Widerstand weniger abgesehen wurde er damals vom Gros der Bevölkerung geduldet oder gar begrüßt. Allein deshalb sollten in der Bundesrepublik Deutschland alle Alarmglocken läuten, wenn Antisemitismus grassiert. Dass dem so ist, belegen Untersuchungen des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, oder von RIAS, der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus.

Tag für Tag werden fünf judenfeindliche Vorkommnisse registriert

Quartalsweise frage ich die Bundesregierung, wie viele antisemitische Straf- und Gewalttaten sie registriert habe. Im Schnitt geht es um 400 bis 450 Fälle, wobei die offiziellen Zahlen tief stapeln. Anders ausgedrückt: Tag für Tag werden fünf judenfeindliche Vorkommnisse vermerkt. Das ist alarmierend, sollte es zumindest sein. Ein Großteil der Jüdinnen und Juden fühlt sich bedroht, viele erwägen, Deutschland zu verlassen.

Und während ich das hier schreibe, gab es wieder zwei „Vorfälle“, die es in die Medien schafften. Bei einem Fußballspiel des 1. FC Union Berlin gegen Maccabi Haifa gab es aus einem Fanblock heraus antisemitische Rufe, obendrein sei versucht worden, eine israelische Flagge zu verbrennen. In Leipzig wiederum wurde ein jüdischer Musiker bedrängt, seine Davidstern-Kette abzunehmen, anderenfalls sei er im Hotel unerwünscht.

Unsere Verantwortung

Dies alles und mehr zeigt: Antisemitismus ist inmitten der Gesellschaft und muss alltäglich geächtet werden. Dazu gibt es einschlägige Aktionspläne auf EU-Ebene und hierzulande. Im Kern geht es darin um drei Felder:
a) Verhütung aller Formen des Antisemitismus;
b) Förderung jüdischen Lebens;
c) Gedenken an den Holocaust.

Das treibt mich seit längerem und fürderhin um, aus Achtung vor der Würde jüdischer Menschen und als Streiterin für Bürgerrechte und Demokratie.
 
 

 

 

9.10.2021
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