Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Antisemitismus, also Hass auf Jüdinnen und Juden, eben weil sie Jüdinnen und Juden sind, ist menschenverachtend und hierzulande obendrein verfassungsfeindlich. Die Linke lehnt Antisemitismus ab, egal in welchem Gewand und aus welcher Richtung er daherkommt.
Antisemitismus ist Tausende Jahre alt und scheint unausrottbar. Das ist kein Grund zur Resignation, sondern im Gegenteil ein Gebot, alle Kräfte und alle Mittel dagegen zu bündeln. Mit diesem Anspruch sage ich auch: Der Kampf gegen Antisemitismus taugt nicht zu parteipolitischen Profilierungen. Er ist eine gemeinsame Herausforderung aller demokratischen Parteien und Initiativen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zahl antisemitischer Straf- und Gewalttaten nimmt seit Jahren zu. Allein im ersten Quartal 2021 wurden im Schnitt fünf solcher Straftaten pro Tag erfasst. Wir wissen zudem: Die offiziellen Zahlen stapeln tief. - Das lässt erahnen, wie sich das bei Jüdinnen und Juden anfühlt. Ihre Würde und oft auch ihr Leben werden bedroht. Und das ist nicht hinnehmbar.
Das Gros der antisemitischen Straftaten ist rechtsextrem motiviert. Aber: 20 bis 25 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger hegen antisemitische Einstellungen. Antisemitismus ist also ein gesellschaftliches Problem. Es muss daher auch als solches begriffen werden und darf nicht allein den Sicherheitsbehörden überlassen werden. Das unterstrichen auch die Erzieherinnen und Erzieher und Eltern der Berliner Masorti-Kita, welche ich heute früh vor Sitzungsbeginn besucht habe. Sie wünschen sich Schutz - verlässlichen Schutz - und Zusammenhalt in der Gesellschaft. Dazu gehört auch, jüdisches Leben und jüdische Kultur zu fördern - nicht als etwas Exotisches, sondern als Teil von unser aller Leben.
Noch viel zu viele Schülerinnen und Schüler werden erstmals mit dem Thema Jüdinnen und Juden konfrontiert, wenn vom Holocaust die Rede ist. Damit geraten Jüdinnen und Juden in eine Sonderrolle, obwohl sie seit Jahrhunderten und weiterhin Teil unserer Kultur sind; über 1 700 Jahre wurde eben schon geredet. So profan kann übrigens Ausgrenzung beginnen, und das darf nicht sein.
Der aktuelle Antisemitismusbericht der Bundesregierung weist auf ein weiteres Manko hin: Viele antisemitische Ausfälle werden nicht als solche erkannt - nicht bei der Polizei oder der Justiz, häufig auch nicht durch Lehrerinnen und Lehrer -, oder aber sie werden ignoriert. Beides muss behoben werden.
Seit 2018 ist Felix Klein Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und für den Kampf gegen Antisemitismus. Die Linke hatte damals dafür plädiert, ihn als Beauftragten des Bundestages zu berufen. Gleichwohl - das will ich hier heute auch sagen -: Felix Klein leistet eine wichtige Arbeit und hat dabei inzwischen Partner in allen Bundesländern. Ihnen allen ist zu danken - ebenso RIAS, dem Verband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus, im Bund und in Ländern. Auch ihre Arbeit ist unverzichtbar.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ändert allerdings nichts daran, dass nach wie vor viele gesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus und für Bürgerrechte und Demokratie nicht hinreichend und dauerhaft unterstützt werden. Auch das muss sich ändern.
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