Gegen Demokratieverdruss hilft nur mehr Demokratie

Bundestag, 16. September 2020 Debatte zu mehreren Anträgen sowie einem Gesetzentwurf der Opposition, die auf eine starke Demokratie, einen handlungsfähigen Staat und nachhaltige Finanzen zielen
Rede von Petra Pau

Anrede

1. Unter der Generalüberschrift „Nachhaltigkeit“ geht es auch um Fragen lebendiger Demokratie - zu Recht. Denn unsere Demokratie steht keineswegs auf sicheren Füßen. Sie muss im Alltag verteidigt und grundsätzlich weiter entwickelt werden.

Gegen Demokratieverdruss hilft letztlich nur mehr Demokratie, mehr direkte Demokratie. Das fordert DIE LINKE seit langem, auch auf Bundesebene.

2. Zu nachhaltiger Demokratie gehört auch, dass in besonderen Zeiten, aktuell angesichts der Corona-Pandemie, Maßnahmen dagegen prinzipiell parlamentarisch begründet, begrenzt und begleitet werden. Sondervollmachten für die Exekutive widersprächen dem.

3. Bundesinnenminister Seehofer hat vor Monaten festgestellt:
Von Rechtsextremen geht die größte Gefahr für die Demokratie aus.
Das unterstreicht DIE LINKE.

Aber diese Feststellung muss auch Konsequenzen haben. Dazu gehört, dass Initiativen gegen Rechtsextremismus, für Bürgerrechte und Demokratie dauerhaft und hinreichend gefördert werden müssen.

Das ist nach wie vor nicht der Fall. DIE LINKE fordert es.

Und ich füge hinzu: Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bundes der Antifaschisten ist gemeinnützig und gemeinwichtig.

4. Demokratie ist gemäß Grundgesetz ein hohes Verfassungsgut. Aber es gibt auch Versuche genau das umzudeuten. Etwa als Bundeskanzlerin Angela Merkel eine marktkonforme Demokratie forderte. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Wir brauchen einen demokratiekonformen Markt.

Davon entfernen wir uns aber derzeit rasant.

5. Auf die Frage, ob die Digitalisierung Bürgerrechte und Demokratie stärkt oder schwächt, habe ich einmal geantwortet:

Chancen groß, Gefahren riesig.

Dazu will ich Ihnen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1983 in Erinnerung rufen - Volkszählungsurteil genannt.

Es besagt verkürzt und sinngemäß: Bürgerinnen und Bürger, die nicht mehr wissen oder wissen können, wer was über sie weiß, sind nicht mehr souverän. Eine Demokratie ohne Souveräne aber ist undenkbar.

Fragen wir uns selbst, ob wir noch wissen können, wer was über uns weiß? Die Antwort dürfte Nein sein. Dabei spreche ich nicht nur über Datenbegehren von Staatswegen und von Geheimdiensten.

Die Digitalisierung, inklusive sogenannte soziale Netzwerke, ist ein wachsender Datensauger. Umso wichtiger ist ein umfangreicher Datenschutz, der dem 21. Jahrhundert gerecht wird.

6. Und damit bin ich bei einem global ungelösten Problem. Datenmonopole, wie Google, Amazon, Facebook usw. horten, verknüpfen und manipulieren Milliarden persönlicher Daten und vermarkten sie.

Ihr Profit ist Wahnsinn.

Dagegen gibt es bislang weder Kontroll- noch Schutzmechanismen.

Ich räume ein: Ich kenne auch kein Erfolg versprechendes Modell, wie diese digitale Aushöhlung der Demokratie zu bannen ist.
Aber es zeigt, wohin eine marktkonforme Demokratie führt.
Verlierer sind die Demokratie und die Würde des Menschen.

7. Schließlich: Fundierte Untersuchungen, aber auch der Alltag zeigen:
Demokratisches Engagement braucht eine solide soziale Basis.

Eine Gesellschaft, die in massenhaft Arm und elitär Reich zerfällt, bei der zudem die verbindende Mitte schwindet, eine solche Gesellschaft wird demokratischer Teilhabe entzogen.

Deshalb engagiert sich DIE LINKE für beides:
für soziale Gerechtigkeit und für mehr Demokratie.
 
 

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16.9.2020
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