Wir gedenken heute der von den Nazis ermordeten Sinti und Roma.
Es war ein Völkermord, wie der an Jüdinnen und Juden.
Und obwohl es viele Bürgerinnen und Bürger damals wissen konnten,
was geschah, gab es dagegen kaum Widerstand aus der Gesellschaft.
Bevor ich auf dieses Problem näher zu sprechen komme, lese ich ihnen eine Geschichte aus meiner Episodensammlung vor. Sie heißt:
Mahnende Kunst
Empfange ich im Bundestag Besucher und reicht die Zeit, dann gehen wir durch die Parlamentsgebäude mit Halt bei einigen Kunstwerken. Davon gibt es viele, so viele, dass sie einen Bildband füllen.
Vor allem zwei gehören bei mir zum Standardprogramm. Beide sind im Reichstagsgebäude. Und beide waren höchst umstritten, insbesondere durch die CDU/CSU.
Das eine ist der Andachtsraum von Günther Uecker. Er bietet Raum und die dazugehörigen Utensilien für alle relevanten Religionen, für Christen, für Juden, für Muslime, auch für Hindus. Unions-Politiker forderten ein dominierendes Kreuz, schließlich sei man hier im christlichen Abendland. Uecker blieb standhaft.
Das zweite Kunstwerk ist im Innenhof des Gebäudes. Es ist von Hans Haake. Er schuf einen Schriftzug Der Bevölkerung - in bewusstem Kontrast zu der Giebelinschrift Dem deutschen Volke. Die Buchstaben werden umgrünt. Wer wollte, konnte aus seinem Wahlkreis ein Säckchen Erde mitbringen. Und was diese barg und aus ihr erwächst, soll gedeihen, unbeschnitten, unbegradigt.
Uecker plädiert für einen gleichberechtigten Dialog, interreligiös.
Haake mahnt uns Abgeordnete, für alle Bürgerinnen und Bürger da zu sein, multikulturell, und nicht nur für Deutschgermanen.
Lange hatte ich beide Werke vor allem als Erinnerung an die mörderische Zeit des Faschismus interpretiert. Aber spätestens seit diese von einem bekannten AfD-Politiker als Vogelschiss verharmlost wurde, weiß ich:
Ueckers und Haakes Mahnungen sind brandaktuell.
Soweit die Geschichte. Sie sehen mich also durchaus besorgt über aktuelle Entwicklungen. Hass und Gewalt inmitten der Gesellschaft nehmen zu.
Diese Entwicklung war absehbar. Bereits 2011 hatten Wissenschaftler eine Langzeitstudie über Deutsche Zustände vorgestellt.
Ihr Fazit: Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu,
ebenso die Akzeptanz von Gewalt als Politikersatz.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist mehr als Rassismus. Sie betrifft auch Obdach- und Erwerbslose, Menschen mit Behinderungen und weitere.
Aber ebenso Jüdinnen und Juden sowie Sinti und Roma.
Umso mehr bedarf es einen Aufstand der Anständigen dagegen.
Vielleicht erinnern Sie sich. 2018 gab es hier in Berlin eine machtvolle Demonstration für Bürgerrechte, Menschenrechte und Demokratie.
240.000 Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland waren dabei.
Das war groß und hat Mut gemacht. Aber es reicht nicht.
Jene, die nationalistisch und rassistisch unterwegs sind,
haben inzwischen eine Partei in Parlamenten, auch im Bundestag.
Ein Abgeordneter dieser Partei wollte jüngst wissen,
wie viele Sinti & Roma in Sachsen leben.
Solche Erfassungen hat es in Deutschland schon mal gegeben.
Das sage ich alles nicht, um Ihre Sorgen zu vergrößern.
Sondern damit Sie wissen, ich habe das durchaus im Blick.
Wir müssen unser Grundgesetz verteidigen, begonnen mit Artikel 1:
Die Würde des Menschen ist unantastbar!
Wohl bemerkt: aller Menschen, auch die Würde von Sinti & Roma.
Dabei können Sie mich weiterhin an ihrer Seite wissen.
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