Hass und Gewalt als gesellschaftliches Problem

Bundestag, 16. Januar 2020, Aktuelle Stunde zu „Drohungen und Gewalt gegen Kommunalpolitiker, Polizei und Rettungskräfte“
Rede von Petra Pau

1. 

Hass, Drohungen und Gewalt nehmen zu, gegen Politikerinnen und Politiker, gegen Journalistinnen und Journalisten, gegen Helferinnen und Helfer, überhaupt und alltäglich.
 
Das ist doppelt schlimm:
für die betroffenen Menschen und für die bedrohte Demokratie.
 
Die Fraktion DIE LINKE lehnt Gewalt als Mittel gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzung strikt ab, namens der Betroffenen und namens der Demokratie.

2. 

Allein der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) und der aktuelle Anschlag in Halle auf das Büro unseres MdB-Kollegen Dr. Karamba Diaby (SPD) zeigen:
 
Diese Hass-Attacken machen um keine Partei einen Bogen.
Sie taugen daher auch nicht für parteipolitische Scharmützel.
 
Und glauben Sie mir: Viele Linke, ob Mitglied des Bundestages, Landes- oder Kommunalpolitiker bzw. -politikerinnen, können aus eigenem Erleben und aus eigener Bedrohung viel zu der Debatte beitragen.
Wir sind alle betroffen und alle verantwortlich, etwas dagegen zu tun.

3. 

Die ganze Absurdität dieser schlimmen Entwicklung zeigt sich, wenn Helfer, wie Feuerwehrleute oder Sanitäter, Opfer werden.
 
Menschen, die sich für andere Menschen engagieren, werden dafür mit Hass und Gewalt bedacht. Das ist zusätzlich unmenschlich. Es trifft unsere Gesellschaft grundsätzlich und ist nicht hinnehmbar.

4. 

An laufenden Debatten, etwa ob Kommunalpolitiker sich bewaffnen sollten oder ob Privatadressen besser zu schützen seien, will ich mich in dieser aktuellen Stunde nicht beteiligen. Dazu reicht die Zeit nicht.
 
Aber eine Mahnung muss sein: Allzu oft bleiben Gewalttaten ungesühnt und Täter kommen unbehelligt davon.
Kurzum: Der Rechtsstaat versagt viel zu oft! Das darf nicht sein.

5. 

Gleichwohl kommen wir um eine weiterführende Debatte nicht umhin. Ich kann sie hier nur anreißen. Denn die gesellschaftlichen Entwicklungen, über die wir heute reden, sind nicht vom lichten Himmel gefallen.
 
Bereits 2011 hatten Prof. Heitmeyer und sein Wissenschaftsteam die Ergebnisse ihrer Langzeitstudie über „Deutsche Zustände“ vorgestellt.
 
Das Fazit: Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu, ebenso die Akzeptanz von Gewalt als Politikersatz.
 
Zu den Ursachen ebenso kurz: Das Soziale wird ökonomisiert, die Demokratie wird entleert. Politdeutsch nennt man das „neoliberal“.
 
Deshalb schlage ich namens der Fraktion DIE LINKE vor:
Der Bundestag möge eine Expertenkommission berufen, die sich mit Hass und Gewalt als gesellschaftliches Problem befasst.
 
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

[als Video]

 

 

16.1.2020
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