Fußball für Roma

Bündnis 90/Die Grünen, Fachkonferenz „Antiziganismus in Deutschland und Europa“
Grußwort von Petra Pau, MdB
Berlin, 4. September 2018

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Meinen kurzen Beitrag beginne ich mit einem Auszug aus meinem Buch „Gottlose Type - meine unfrisierten Erinnerungen“. Es enthält 53 Episoden aus 25 Jahren, heitere, überraschende, auch ernste. Diese ist bitter ernst, sie geschah 2010 und sie ist überschrieben mit:

Fußball für Roma

„Die Meldung ging international durch die Medien: Nazis haben in einem ungarischen Dorf das Haus einer Roma-Familie angezündet. Als der Vater mit seinem dreijährigen Sohn dem Inferno entkommen wollte, wurden beide erschossen. Ich wollte schon länger nach Ungarn reisen, zumal damals gerade eine neue linke Bürgerrechtspartei gegründet wurde. Aber nun fuhren wir gemeinsam in das Dorf, um uns mit den Hinterbliebenen, ja, überhaupt mit Sinti und Roma zu solidarisieren: Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland, Theo Zwanziger, damals Chef des Deutschen Fußballbundes, und ich.
Abends waren wir im Nep-Stadion beim Fußball-Länderspiel Ungarn gegen Deutschland. Vor dem Anpfiff warb eine antirassistische Initiative für Demokratie und Toleranz. Deutschland gewann das Match vor 8.000 Zuschauern. Das waren sehr wenige im eigentlich fußballverrückten Budapest.
Nahezu zur selben Zeit wurde die neue Regierung vereidigt, unter freiem Himmel, bejubelt von 80.000 Ungarn. Sie gilt als rechtskonservativ-rechtspopulistisch und wird durch militante neofaschistische Organisationen gestützt. Auf ihr Konto gingen regelrechte Feldzüge gegen Sinti und Roma.“

Die Geschichte geht noch weiter, im Holocaust-Museum in Budapest und in die Geschichte des Horty-Faschismus. Aber das spare ich jetzt mal aus.

Wesentlicher ist
1. Antiziganismus ist Jahrhunderte alt.
2. Er scheint unausrottbar.
3. Und er ist Europa-weit verbreitet.

Das entschuldigt nichts und das relativiert nichts.
Angriffe gegen Sinti und Roma sind nirgendwo hinnehmbar.
In Deutschland sind sie angesichts der Nazi-Geschichte schon vom Ansatz her schlicht inakzeptabel.
Wir wissen, wo das endet.

Und so danke ich Bündnis 90/Die Grünen für diese Fachtagung und für die Einladung dazu.

In meinem Wahlkreis gibt es übrigens eine Gedenkstätte.
Sie erinnert am authentischen Ort daran, dass Berlin zu den Olympischen Spielen 1936 frei von Zigeunern sein sollte, wie diese im Marzahner Lager interniert, später in KZs deportiert und dort vernichtet wurden.

Zum Schluss noch einmal drei Anmerkungen:
1. Kein Angriff gegen Sinti und Roma darf unter den Tisch fallen. Zumal es immer auch Angriffe auf unsere Demokratie und Artikel 1 Grundgesetz sind: "Die Würde des Menschen ist unantastbar", aller Menschen.
2. Wer Sinti und Roma herabsetzt, weil sie Sinti und Roma sind, muss geächtet werden. Das beginnt bei der Diffamierung als Zigeuner, bis hin zu der aktuellen AfD-Forderung, Sinti und Roma zu registrieren.
3. Das Gros der Allgemeinheit weiß zu wenig über Sinti und Roma, über ihre Geschichte, über ihre Kultur, über ihr Selbstverständnis.
Das macht anfällig für Vorurteile und Antiziganismus.

Wenn ihnen auch diese drei Punkte so oder ähnlich aus dem Bericht der unabhängigen Expertenkommission zum Antisemitismus bekannt vorkommen, dann ist das richtig und kein Zufall.
 

 

 

4.9.2018
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