Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde
der Schwarzkopf-Stiftung,
gern bin ich der Einladung für heute Abend nachkommen. Zumal ich bei meinem Auftritt am 8. März das zuvor zugesagte gemeinsame Essen wegen dringender Termine wieder absagen musste.
Nun können wir uns in lockerer Atmosphäre, so denke ich, über das eine oder andere Problem unterhalten, das uns wahrscheinlich gemeinsam umtreibt. Zum Beispiel über den Zustand der Europäischen Union, über das Erstarken nationalistischer Kräfte oder über den Rechtstrend inmitten der Gesellschaften.
Umso wichtiger halte ich das Engagement solcher Initiativen, wie der Schwarzkopf-Stiftung. Und wenn ich dabei helfen kann, so werde ich es auch fürderhin gerne tun.
Als ich über ein kurzes Grußwort nachdachte, fiel mir übrigens ein, dass die Schwarzkopf-Stiftung auch in meinem Buch Gottlose Type - meine unfrisierten Erinnerungen vorkommt. Es enthält 53 Episoden aus 25 Jahren meiner politischen Tätigkeit. Jene Geschichte, die ich meine, ist mit Blamagen lauern überall überschrieben und hat etwas mit dem bitternötigen Kampf gegen Antisemitismus zu tun.
Inzwischen gibt es weitere Geschichten in meinem Ordner Gottlose - ungedruckt. Eine davon gebe ich gern noch zum Besten, auch, wenn sie sich scheinbar nur an Linke wendet. Sie ist überschrieben mit:
Linke Preisfrage
Stimmungen inmitten der Gesellschaft kippen nach rechts. Ausländer raus geistert durch viele Köpfe. Antisemitismus ist wieder hoffähig. Gewalt gegen Andersdenkende, Anderslebende und Andersliebende gehört zum Alltag.
Das alles komme nicht überraschend. Das alles war voraussehbar, meinte Prof. Wilhelm Heitmeyer 2017 in einem Interview. Ich war damals dabei, als er und sein Wissenschaftsteam am 11. 11. 2011 in Berlin die Ergebnisse ihrer Langzeitstudie über Deutsche Zustände vorstellten. Also lange bevor zahlreiche Flüchtlinge und Asylbewerber zu uns kamen.
Die Heitmeyer-Forschungen liefen über zehn Jahre. Das Fazit in aller Kürze: Die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu. Ebenso die Akzeptanz von Gewalt als Politikersatz. Als Ursachen für diese fatale Entwicklungen nannte sie: Das Soziale wird ökonomisiert, die Demokratie wird entleert. Auf Politikdeutsch nennt man das "neoliberal". Dem Markt wird freier Lauf gelassen, den Banken und Monopolen wird gegeben, der Gesellschaft und dem Einzelnen wird genommen. Das ist seit über 25 Jahren die dominierende Politik, die sich dadurch obendrein selbst entmündigt.
Wenn Heitmeyer & Team Recht haben, und ich finde Ja, dann ist die neoliberale Politik das tiefer liegende Übel. Ergo müssen Linke gegen alle agieren, die neoliberal unterwegs. Parteipolitisch hieße das: Die Linke gegen CDU, CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und gegen die AfD, also wir gegen alle.
So weit, so scheinbar klar.
Aber da gibt es auch eine historische Lehre aus der Zeit des Faschismus. Sie besagt: Die Nazis kamen nicht an die Macht, weil die NSDAP so stark war, sondern weil die Demokraten zu zerstritten waren. Das wiederum würde bedeuten, breiteste Bündnisse anzustreben: Linke mit SPD, Bündnisgrünen, CDU, FDP, selbst CSU, also - ausgenommen die AfD - wir mit allen.
Beide Strategien passen irgendwie nicht zusammen!
Oder doch? Und wenn doch, dann wie?
Ich gebe es ihnen als Preisfrage mit. ...
... und danke für ihre Aufmerksamkeit
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