Die Zahlen über den aktuellen Bundestag kennen Sie aus der Einladung.
Auf zwei gehe ich in meinen fünf Eingangsthesen ein.
1. These: Zahl der Fraktionen
Sechs Fraktionen sind in der Geschichte des Bundestages nichts Neues.
1949 - 1953 waren es acht Fraktionen plus 9 Einzel-MdB,
1953 - 1957 sechs Fraktionen.
Allerdings folgten über 20 Jahre - 1961-1983 - mit lediglich drei Fraktionen:
Union, SPD, FDP
Ab 1983 kamen die Grünen als Umwelt-Alternative hinzu,
ab 1990 die PDS, später DIE LINKE als soziale Alternative,
und nun 2017 AfD als deutsch-nationale Alternative.
D. h., die Zahl der Fraktionen ist so neu nicht.
Bemerkenswerter ist etwas anderes:
1961 - 2002 entfielen auf die Union und auf die SPD 75-80 % aller Stimmen.
Seither sinken deren Zahlen, zuletzt Union 33% und SPD 20,5%, Tendenz fallend.
Das wirft die Frage nach den Volksparteien auf.
Die Bindekraft der großen Parteien schwindet.
Andere sprechen sogar vom Ende der politischen Alt-BRD.
Dieselbe Entwicklung erleben wir EU-weit,
jüngst auch nach den Wahlen in Frankreich und Italien.
Wir haben es offenbar mit einer Krise des Politischen zu tun.
Großprobleme werden für viele unbefriedigend angegangen,
wenn überhaupt.
Ich nenne nur drei:
die Globalisierung, die Klimabedrohung und die Macht der Banken.
Hinzu kommt zunehmend und rasant die Digitalisierung.
Bemerkenswert ist, dass die AfD für keines dieser Probleme eine Lösung bietet.
Im Gegenteil, sie besticht durch Ignoranz.
2. These: Zahl der MdB
Gedacht war der Bundestag für 598 Mitglieder, aktuell sind es 709.
Damit ist der Bundestag zahlenmäßig das weltweit größte frei gewählte Parlament.
Das hatte sich abgezeichnet. Warum das so ist, lasse ich jetzt mal aus.
Es hat etwas mit dem Verhältnis von 1.- und 2.-Stimmen zu tun.
Jedenfalls hatte Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert mehrfach eine Reform des Wahlrechts angeregt. DIE LINKE war ebenfalls dafür.
Die Vorhaben scheiterten letztlich stets am Nein der CDU/CSU.
Ich fasse es kurz:
Ein größerer Bundestag ist nicht automatisch besser als ein kleinerer.
Hinzu kommen wachsende Org.-Probleme und Kosten.
3. These: Belebt die AfD?
Die Meinungen gehen auseinander.
Die AfD findet selbstverständlich, sie belebe die Demokratie,
ja, sie sei die Demokratie an sich, weil Volkes Stimme.
Und sie findet dabei durchaus Zuspruch,
siehe: Kommentar in DIE WELT, 23.02.2018:
Die AfD hat den Bundestag wachgerüttelt
oder Kurt Biedenkopf, langjähriger CDU-Ministerpräsident Sachsens,
am 25. 02. 2018 laut dpa:
Der AfD-Erfolg belebt den politischen Diskurs.
und weiter: Eine Pegida-Veranstaltung schadet oder gefährdet niemand. (...)
Wenn die Leute sich für eine Stunde populistische Reden anhören,
um danach in die Kneipe zu gehen, gefährden sie kaum unsere Demokratie.
Dass viele das ganz anders sehen und erleben, stelle ich jetzt nur mal fest.
Darüber können wir gerne in der anschließenden Debatte sprechen.
Ich komme erstmal zu einer weiteren Eingangsfrage.
4. These: Rechtspopulismus
Es gibt verschiedene Beschreibungen für die AfD.
Rechtspopulistisch ist eine geläufige.
Das klingt harmlos, so als seien sie die niedlichen Rechten.
Als Linke sage ich: mitnichten. Das hat
a) mit dem Selbstverständnis der AfD zu tun. Wobei man
b) populistisch nicht mit populär verwechseln darf.
(Rechts)-Populisten teilen die Welt / die Gesellschaft in WIR und DIE ein.
Wobei das WIR, salopp gesagt, alles Gute und Richtige umfasst,
während das DIE alles Schlechte und Gefährliche bedeutet.
Mithin wähnt sich das WIR berechtigt, gegen alle DIE vorzugehen,
demonstrativ, aggressiv, letztlich auch gewalttätig.
Wobei die WIR entscheiden, wer zu den DIE gehört.
Und das sind unter dem Strich alle, die nicht zum WIR gehören.
Das schafft Feindbilder.
Aktuell gehören dazu Migranten, Geflüchtete und Asylbewerber, der Islam, die sogenannten Altparteien und die Medien, genannt Lügenpresse.
Ich empfehle dazu das Buch
Populismus für Anfänger - Anleitung zur Volksverführung, WESTEND-Verlag.
Fakt ist: Widersprüche, die auszutragen sind,
und Kompromisse, die auszuhandeln sind,
kommen in ihrem Selbstverständnis nicht vor.
Rechtspopulisten agieren daher wider die Demokratie.
Sie stellen sich national über die Vielfalt der Gesellschaft
und international gegen ein Miteinander der Gesellschaften.
5. Eingangs-These: zur AfD im Bundestag
Die AfD wurde von Millionen Bürgerinnen und Bürgern demokratisch gewählt.
Folglich stehen ihr als Partei auch alle parlamentarischen Rechte zu.
Was im Umkehrschluss nicht heißt, dass deshalb jeder konkrete Kandidat der AfD für eine parlamentarische Funktion automatisch zu wählen sei.
Als Maßstab gilt auch bei ihnen, welche persönliche Eignung
ihnen jeweils zugeschrieben wird.
Spannender wird es bei der Frage, welche Themen die AfD auf die Tagesordnung setzt. So sollte der Bundestag Artikel von Deniz Yücel rügen. Das war ein klarer Affront gegen die Pressefreiheit und mithin gegen das Grundgesetz.
Ebenso fragwürdig ist die Debattenkultur der AfD. Sie provoziert, bis hin zu persönlichen Diffamierungen, und baut in den hinteren Reihen der Fraktion regelrechte Drohkulissen gegen andere Fraktionen auf.
Schließlich gibt es eine klare Diskrepanz zwischen öffentlichem Zurschaustellen und parlamentarischen Engagement der AfD. Im Plenum versuchen sie dank Masse alle anderen vorzuführen, in Fachausschüssen kommen sie inhaltlich kaum vor.
Soviel von mir zum Einstieg.
Mehr können wir nun gern besprechen.
Und wenn Sie mich als Politikerin der LINKEN
und nicht als Vizepräsidentin des Bundestags fragen,
dann werde ich hie und da etwas weniger diplomatisch antworten
und stattdessen etwas deutlicher werden.
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