Für einen bürgernahen öffentlichen Dienst

dbb-Gewerkschaftstag
Rede von Petra Pau, MdB, DIE LINKE
Berlin, 21. November 2017

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Sehr geehrter Vorsitzender Silberbach,
sehr geehrter Herr Dauderstädt,
sehr geehrte Damen und Herren,
Kolleginnen und Kollegen,

1. 

Ich freue mich, dass ich nach drei, vier Jahren Pause wieder einmal bei Ihnen bin.
Die Zuständigkeiten in der zurückliegenden Fraktion DIE LINKE. waren anders verteilt.
Was nicht heißt, dass ich Sie aus den Augen verloren hätte - mitnichten!

2. 

Zu inhaltlichen Fragen könnte ich es kurz machen.
Schließlich hatten Sie uns vor der Bundestagswahl umfangreiche Wahlprüfsteine geschickt.
Und DIE LINKE. hat ebenso ausführlich geantwortet.
Es ist also alles aktuell und schwarz auf weiß nachlesbar.
Ich werde dennoch zu drei Punkten etwas sagen.

3. 

Erstens: In grundsätzlichen Fragen gibt es zwischen der LINKEN und dem dbb Übereinstimmungen und Differenzen. So liegen wir z. B. in zwei Fragen auseinander:
• bei der Bürgerversicherung für alle
• und beim Streikrecht.
 
Legt man aber alles auf eine Waage,
die Übereinstimmungen auf die eine,
die Differenzen auf die andere Seite,
so überwiegen eindeutig die Übereinstimmungen.
 
Das beginnt beim Grundsätzlichen:
DIE LINKE. ist für einen starken, kompetenten und bürgernahen öffentlichen Dienst.
Dafür muss er gut ausgestattet sein: personell, finanziell, technisch-organisatorisch.
Deshalb habe ich vorhin gern das Schild mit dem #FürDichda mit Ihren stellvertretenden Vorsitzenden in die Kamera gehalten.

4. 

Und damit sind wir bei Problemen:
 
• Löhne und Gehälter nach Kassenlage oder nach Himmelsrichtungen sind dem abträglich.
Sie sind für viele ungerecht und machen die Arbeit im öffentlichen Dienst auch unattraktiv.
 
• Die Auslagerung von Hoheitsaufgaben an privat höhlt das Gemeinwohlansinnen aus.
Nicht zuletzt, weil der Markt sozial und ökologisch blind und mitnichten ein Hüter von Recht und Gesetz ist.
 
• Schließlich muss auch der Öffentliche Dienst auf der Höhe der Zeit sein, also weiterentwickelt werden.
Ein Stichwort heißt „Digitalisierung“. Darauf komme ich gleich noch mal zurück.

5. 

Zweitens will ich etwas zu Löhnen und Gehältern sagen, speziell zu denen nach Himmelsrichtung, und zwar grundsätzlich, die Gesellschaft insgesamt betreffend.
 
Zur Erinnerung: Wir leben im Jahr 28 der deutschen Einheit!
 
Vor Jahresfrist wurden neue Mindestlöhne für Pflegeberufe festgelegt.
Demnach bekommen Pflegerinnen und Pfleger in den sogenannten neuen Bundesländern rund 1 € / Stunde weniger, als ihre Kolleginnen und Kollegen in den alten Bundesländern.
 
Wenn es dafür eine sachlichen Grund gibt, dann kann der ja nur heißen: Ossis sind pflegeleichter und Wessis schwerfälliger.
 
Das ist, meines Wissens, aber nicht so.
Was also soll die Unterscheidung?
Und warum machen dabei Gewerkschaften nach wie vor mit?
Ich weiß und ich verstehe es nicht.
 
Zur Illustration gebe ich noch einen Punkt drauf:
 
Die noch amtierende CDU/CSU/SPD-Regierung hat in Aussicht gestellt, bis 2025 das Renten-Niveau-Ost an das Renten-Niveau-West anzupassen.
 
De facto heißt das: Wer als Ex-DDR-Bürger am 3. Oktober 1990, dem Tag der deutschen Einheit, in den Ruhestand ging, muss 100 Jahre alt werden, um erstmals gleichberechtigt Rente zu beziehen.
 
Das Ganze ist sogar noch schlimmer:
Wer am selben 3. Oktober 1990 als Bundesbürger im Osten geboren wurde, dort zur Schule ging, studierte und stets arbeite, wird noch 2057 seinem Rentenbescheid entnehmen können, was er zeitlebens war: Ein Ossi!
Denn noch immer müssen Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern für weniger Geld länger arbeiten als ihre Kolleginnen und Kollegen in den alten Bundesländern.
 
Ich finde, das ein Unding.
Und ich werbe bei allen Gewerkschaften, dass sie Druck machen, diese anhaltende deutsche Teilung endlich zu überwinden.

6. 

Mein dritter Punkt:
 
Ich hatte angekündigt, auf das Thema Digitalisierung zurückzukommen.
Auch der dbb, der öffentliche Dienst, hat etwas damit zu tun.
Der Service des öffentlichen Dienstes wird bürgernäher, schneller und differenzierter.
Das kann nur gut sein.
 
Aber Digitalisierung umfasst mehr als das Grundrecht auf Internetzugang und seine sinnvolle Nutzung.
Die Digitalisierung wird die Wirtschaft, das Soziale, ja die Gesellschaft generell umkrempeln, so wie vor über 200, 300 Jahren die Erfindung der Dampfmaschine und des Buchdrucks.
 
Das birgt ungeahnte Chancen. Über allem schwebt aber auch eine Riesengefahr, die uns ebenfalls alle betrifft:
 
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem sogenannten Volkszählungsurteil in den 1980er Jahren den Datenschutz in den Status eines Grundrechts erhoben, per Grundgesetz verbrieft.
 
Verkürzt: Ohne den Schutz persönlicher Daten kann es keine mündigen Bürgerinnen und Bürger geben, und ohne selbst bestimmte Bürgerinnen und Bürger ist jedwede Demokratie undenkbar.
 
Nein, ich will jetzt nicht die Debatte um Vorratsdatenspeicherung aufmachen.
Etliche im Saal dürften sie begrüßen, DIE LINKE. lehnt sie ab.
Mir geht es um viel mehr.
 
Wenn vom Silicon Valley die Rede ist, dann sind fünf Daten-Großkonzerne gemeint, die höchst freundlich daherkommen und deren Angebote wir wohl alle gern nutzen, egal, ob sie Facebook oder Google heißen.
 
Ihre Geschäftsgrundlage ist allerdings der Totalbruch mit jedem Datenschutz.
Sie sammeln, speichern, verknüpfen und analysieren Daten - auch persönliche.
Jede und jeder wird dadurch erkennbar, auslesbar und letztlich manipulierbar. Und das nahezu weltweit, durch fünf allmächtige kapitalistische Monopole.
 
Mit einem gesellschaftlichen Gemeinwesen hat dies Null-Nix zu tun.
Im Gegenteil! Demokratie und Bürgerrechte werden dadurch massiv bedroht.
 
Ich wünsche, dass auch Gewerkschaften das im Blick haben und empfehle Ihnen daher die „Digital-Charta“, die vor Jahresfrist genau deshalb veröffentlicht wurde und einer breiten gesellschaftlichen Diskussion harrt.
 
Zu den Autoren gehören Bürgerrechtler, Juristen, Unternehmer, Künstler, auch Gewerkschafter.
Sie regen politische und rechtliche Konsequenzen an, hierzulande und EU-weit.
 
Und weil es uns alle betrifft, habe ich es hier angesprochen - Danke!
 
 

 

 

21.11.2017
www.petra-pau.de

 

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