Flüchtlinge unter Generalverdacht

Bundestag, 23. März 2017 Debatte zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung von Abschiebungen
Rede von Petra Pau

1. 

Wir beraten einführend einen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Er trägt den Titel „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“.
 
DIE LINKE. hätte sich gewünscht, dass die Bundesregierung mit demselben Eifer ein Gesetz zur besseren Integration von Asylbewerbern vorgelegt hätte. Aber genau darum geht es nicht.
 
Ja, es gab 2016 ein Gesetz zur „Integration“. Aber das war und ist halbherzig und schloss viele Geflüchtete aus, statt ein.
 
Das Gesetz, um das es jetzt geht, bedient vor allem eine allgemeine Abschiebe- und mithin eine asylfeindliche Stimmung.
 
Das beginnt damit, dass die Bundesregierung wiederholt mit überzogenen und falschen Zahlen über Ausreisepflichtige agiert
 
Kurzum: DIE LINKE. lehnt den Entwurf in seiner jetzigen Fassung ab.

2. 

Zum Gesetzentwurf liegen Stellungnahmen, unter anderen vom Paritätischen Gesamtverband, von der Diakonie Deutschland und von Pro Asyl, vor. Also von Verbänden, die über eine ausgewiesene rechtliche und sachliche Kompetenz verfügen.
 
Entsprechend kritisch fallen deren Urteile aus. Sie beginnt damit, dass ihnen von der Bundesregierung sage und schreibe 1 Tag eingeräumt wurde, um sich zum Gesetzentwurf zu äußern.
 
Respekt sieht anders aus.

3. 

Deren Kritik in der Sache wiegt allerdings noch schwerer. Verkürzt:
 
• Mit dem Gesetzentwurf werden Tore geöffnet, um mehr abgelehnte Asylbewerber als bislang, ihrer Freiheit zu berauben und sie länger in Abschiebehaft zu nehmen.
 
• Als Gründe werden rechtlich unbestimmte Begriffe, wie „Gefährder“ bemüht. Das halten wir genauso fragwürdig, wie in anderen Debatten „sichere Herkunftsländer“, die nach Gusto bestimmt wurden.
 
• Mit unangekündigten Abschiebungen nach über einjähriger Duldung werden Asylbewerbern obendrein Rechtsmittel, etwa einem Widerspruch, geraubt, die ihnen eigentlich zustehen.
 
• Asylbewerbern wird ihre Würde als Mensch genommen. Hinzu kommen Eingriffe in verbriefte Bürgerrechte, etwa durch das Auslesen ihrer Handys ohne jeden Strafverdacht und richterliche Anordnung.
 
• Damit legt sich der Gesetzentwurf auch mehrfach mit Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes an. Das betrifft hohe Hafthürden ebenso, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
 
• Er „vermischt in unzulässiger Weise straf- sowie polizei- und ordnungsrechtliche mit aufenthaltsrechtlichen Aspekten“, moniert der Paritätische Gesamtverband.
 
Auch dieser Kritik am Entwurf schließt sich DIE LINKE. an.

4. 

Hinzu kommt noch ein grundsätzliches Problem.
Ein Drittel aller Schutzsuchenden sind unter 18 Jahre alt.
 
Viele von ihnen hausieren auch hierzulande unter Bedingungen, die weder kindgerecht, noch integrationsfördernd sind. Das stellte UNICEF in einer gerade erst veröffentlichten Studie fest.
 
Der nun vorliegende Gesetzentwurf verschärft das Problem, anstatt Menschen so schnell wie möglich dezentral unterzubringen.
 
Auch das ist so nicht hinzunehmen.

5. 

Ein Schlussgedanke für heute:
 
Etliche Kommentatoren bezeichnen diesen Gesetzentwurf als „Lex Amri“. Sie spielen damit auf den schlimmen Terrorakt auf dem Berliner Weihnachtsmarkt und den Täter an.
 
Und sie belegen zugleich, dass die vorgesehenen Regelungen eben nicht verhindern, was sie vermeintlich vorgeben, sondern vielmehr einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge folgen.
 
Das ist nicht rechtsstaatlich, sondern würdelos.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

[als Video]

 

 

23.3.2017
www.petra-pau.de

 

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