Europa rückt nach rechts


Brennende Zeitfragen - Rosa Luxemburg aktuell und relevant

Symposium der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Israel
Tel Aviv, 19. Februar 2015
Eröffnung und Begrüßung, Rede von Petra Pau

[pdf]

1. 

Ich freue mich, nach über vier Jahren wieder in Israel zu sein.
Mein Programm ist prall. Erneut geht es um Erinnerungskultur, um Antisemitismus, um multikulturelles Zusammenleben.
 
Der Zufall will es, dass ich just hier bin, da Angelika Timm die Rosa-Luxemburg-Stiftung hier verlässt und den Staffelstab weitergibt.
Ich finde: Der Zufall ist ein guter Genosse!
 
Mir haben die Sichten und das Fachwissen von Angelika stets geholfen.
Übrigens nicht nur bei meinen Besuchen in Israel. Sondern auch, wenn sie mich in Berlin besuchte oder uns per Mail auf dem Laufenden hielt.
 
Dafür danke ich Dir herzlich.

2. 

Nun bin ich keine Außenpolitikerin. Und so halte ich mich auch mit öffentlichen Äußerungen zum Nah-Ost-Konflikt oder zu inneren Entwicklungen in Israel zurück.
 
Seit über 16 Jahren agiere ich als linke Innenpolitikerin. Meine Pro-Themen sind Bürgerrechte und Demokratie, meine Kontra-Themen sind Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.
 
Und dazu will ich aus aktuellem Anlass zwei kurze Anmerkungen machen.

3. 

Monat für Monat frage ich die Bundesregierung, wie viele antisemitische Straf- und Gewalttaten sie registriert hat. Im bundesdeutschen Schnitt ist es jeden zweiten Tag eine. Die Zahlen stapeln tief.
 
Antisemitische Klischees werden von einem Viertel der Bevölkerung bedient, quer durch alle Schichten der Bevölkerung. Neu ist: Antisemitismus entlädt sich zunehmend ungehemmter.
 
Das ist ein europaweites Phänomen, wie ein Blick nach Frankreich oder Ungarn zeigt. Ich will das hier gar nicht im Detail darlegen. Fakt ist: Jüdinnen und Juden fühlen sich erneut bedroht.

4. 

Ein anderes Phänomen nahm in Dresden seinen Ausgang und beschäftigt seither die Medien, die Politik, die Wissenschaft: PEGIDA - Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes.
 
Die Bewegung will christlich-jüdische Werte gegen eine drohende Islamisierung verteidigen. Und Tausende demonstrieren seit Monaten gegen diese vermeintliche Gefahr, nicht nur in Dresden.
 
Auch das will ich jetzt nicht weiter vertiefen, sondern lediglich auf eine mögliche, tieferliegende Ursache dafür verweisen.

5. 

Prof. Heitmeyer (Uni Bielefeld) und sein Team haben in einer Langzeitstudie von 2002 bis 2011 „Deutsche Zustände“ untersucht.
Die Ergebnisse sind bekannt, werden aber gleichwohl ignoriert.
 
Der Befund: Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu, ebenso die Akzeptanz von Gewalt, um ignorierte Probleme zu lösen. Auch das lässt sich europaweit beobachten.
 
Als Ursache benennen Heitmeyer & Co.: Das Soziale wird ökonomisiert, die Demokratie wird entleert. Politdeutsch firmiert das unter dem Kürzel „Neoliberalismus“, ist also kein allein deutscher Irrweg.

6. 

Ich sage das auch mit Blick auf Griechenland. Deutsche Medien vermitteln gern den Eindruck, die neue griechische Regierung sei eine Gefahr für die EU. Umgekehrt wird ein Schuh draus.
 
Ich weiß nicht, inwiefern und mit welchem Tenor das alles in Israel eine Rolle spielt. Fakt ist: Aktuell rückt eine Mehrheit in Europa nach rechts, obwohl linke Alternativen weltweit überfällig sind.
 
Soziale Gerechtigkeit, mehr Demokratie und substanzielle Friedenspolitik sind nötiger denn je. Ich könnte das auch rund um den so genannten Ukraine-Konflikt illustrieren, als Innenpolitikerin.

Abschließend:

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Israel liegt mir weiter am Herzen, die Rosa-Luxemburg-Stiftung insgesamt und überhaupt. Ich brauche sie für mein eigenes Nachdenken - über die Tagespolitik hinaus.

Mein Angebot für gutes Miteinander steht weiterhin. Mein persönlicher Dank an Dich, Angelika, steckt heute zwischen zwei Buchdeckeln. In meinem druckfrischen „Gottlose Type“ gibt es auch Episoden mit Israel-Bezug.
 

 

 

19.2.2015
www.petra-pau.de

 

Übersicht
Bundestag

 

 

Lesbares

 

Seitenanfang

 

Startseite