Aktuelle Notiz: gespenstisch
von Petra Pau
Berlin, 8. August 2011
Ein Gespenst geht um in Europa. Und in der Welt. Oberirdisch heißt es Finanzkrise. Unterirdisch verhungern Millionen Menschen. Börsen attackieren Demokratien. Griechenland wird entmachtet. Selbst die Supermacht USA wankt. Niemand kennt den Ausgang. Die Ursachen sind umstritten, mögliche Auswege auch. Nur einer sieht durch. Er heißt Dobrindt, Alexander.
Man muss ihn nicht kennen. Aber er wähnt sich wichtig. Und er ist es. In der CSU. Er ist deren General-Sekretär. Er hat die Lösung: DIE LINKE in Deutschland observieren und verbieten. Endlich. Die Welt atmet auf. Millionen strömen zuhauf. In Ruanda, in Syrien, in Spanien, in Israel, allüberall. Das Gespenst ist erkannt und benannt, dank Generalsekretär Dobrindt, Bayern.
Die Vorsitzende habe über Wege zum Kommunismus palavert, mahnte er im medialen Sommerloch und fordert die Todesstrafe - für die Partei DIE LINKE. Schlimmer noch: DIE LINKE stelle die Systemfrage, alarmiert CSU-General Dobrindt seine Bierzelt-Schwadrone. Man werde ihn kennen lernen, hofft er. Als Mann klarer Worte, in bajuwarischer Tradition.
Noch zaudern die Medien. Sie wissen nicht, ob sie ihn ernst nehmen sollen. Also helfe ich gern, erinnernd. Anfang der 1990er Jahre wurde ein Zukunftsbericht der Freistaaten Bayern und Sachsen publik. Vorgestellt wurde er damals von Edmund Stoiber (CSU) und Kurt Biedenkopf (CDU). Er war lang. Aber er hatte eine klare, kurze Botschaft. Und die hieß sinngemäß so:
Wenn die Bundesrepublik Deutschland künftig noch weltweit eine Rolle spielen wolle, dann müsse ein Drittel der Bevölkerung systematisch verarmt werden. Welche Weitsicht! Denn es kam, wie von der CDU/CSU prophezeit, auch dank SPD und Grünen. Die Armen werden immer zahlreicher und seit einigen Jahren zudem auch immer ärmer. Sagen offizielle Statistiken.
Nein, das war kein leichtes Spiel. Dazu bedurfte es Engagement, ja Enthusiasmus. Auch die CDU musste getrieben werden. Von einem Generalsekretär. Er hieß Hintze, Peter, ein verkappter Pfarrer. Auf einem Bundes-Parteitag der CDU 1996 forderte er den systematischen Umsturz aller Verhältnisse. Die Delegierten klatschten frenetisch.
Dobrindt ist römisch-katholisch und war, als seine Schwester-Partei zum radikalen Umsturz aufrief, noch jünglich. Ansonsten hätte er die CDU sicher längst verpfiffen und angeklagt. Nicht auszudenken. Als demokratische Linke müsste ich die so revoltierende Union auch noch gemeinsam mit anderen Bürgerrechtlern, wie Burkhard Hirsch, gegen absurde Verbotsgelüste beim Bundesverfassungsgericht verteidigen. Gespenstisch.
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