Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Interessentinnen und Interessenten am IPS-Programm.
Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind. Meine Freude für ihr Interesse fußt übrigens auch auf eigenen Erfahrungen mit Stipendiaten, die das IPS-Angebot des Deutschen Bundestags wahrgenommen haben.
In den zurückliegenden Jahren hatte ich junge Leute aus Aserbaidschan, aus Bulgarien, aus Israel und aus den USA in meinem Bundestags-Büro. Ich wünschte, Sie könnten das erleben. Es war für uns alle ein Gewinn.
2. Persönliche Vorstellung
Bevor ich zu der Idee und zur Praxis des IPS-Programms komme, möchte ich mich natürlich selbst vorstellen. Mein Name ist Petra Pau. Ich bin Berlinerin, groß geworden in Ost-Berlin und seit 20 Jahren Einheits-Berlinerin.
Seit 1998 bin ich Mitglied des Deutschen Bundestages. Inzwischen wurde ich vier Mal direkt in den Bundestag gewählt, jeweils für die PDS bzw. für die Linkspartei. Genauso lange bin ich Mitglied im Innenausschuss.
Meine zentralen Themen als Innenpolitikerin sind Bürgerrechte und mehr Demokratie und damit auch der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Das führt mich auch immer wieder nach Israel.
Seit 2006 bin ich zudem Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestags. Und in dieser Funktion spreche ich nun zu Ihnen, werbe ich für das Internationale Parlaments-Stipendium in der Bundesrepublik Deutschland.
3. zur IPS-Geschichte
Der Deutsche Bundestag führt das Internationale Parlaments-Stipendium seit 1986 durch. Ich habe selber gestaunt. Denn das ist inzwischen fast ein Viertel-Jahrhundert. Es muss also etwas dran sein, etwas Gutes.
Das Stipendium umfasst insgesamt 5 Monate. Jeweils vom 1. März bis zum 31. Juli erhalten qualifizierte und politisch interessierten jungen Menschen Einblicke in das parlamentarische und Regierungssystem Deutschlands.
Der Deutsche Bundestag bietet diese Erfahrungswelt in Zusammenarbeit mit den drei Berliner Universitäten und mit den parteinahen Stiftungen der Bundestags-Parteien an. Das ist ein spannender Mix von Theorie und Praxis.
Die ersten Stipendiaten kamen aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Was mit 20 Stipendiaten begann, wurde inzwischen auf heute 120 Stipendiaten aus 28 Ländern erweitert! Ein Welt-Treff junger Wissbegieriger.
Ich zähle zur Illustration einfach mal die Länder auf, die seit Ende des Kalten Krieges 1990 am IPS-Programm des Deutschen Bundestages teilnehmen:
Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Belarus, Bulgarien, Estland, Frankreich, Georgien, Kasachstan, Kroatien, Kosovo, Lettland, Litauen, Mazedonien, Moldau, Montenegro, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Ukraine und seit 2009 auch Israel.
Bisher haben über 1.500 Stipendiatinnen und Stipendiaten das IPS-Programm absolviert. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen: Das sind junge Leute, die andere Kulturen schätzen lernen, die politisch weltweit sensibler werden, die auch danach - sei es direkt oder per Internet - verbunden bleiben.
Ich verfolge das zuweilen über Facebook. Aber ich will Ihnen dazu gern auch eine Episode erzählen. Am 8.Mai 2009 gab es in Berlin wieder ein Park-Fest aus Anlass der Befreiung Deutschlands vom Hitlerfaschismus.
Die USA-Stipendiatin aus meinem Büro hatte IPS-Akademiker aus Frankreich, England und der Ukraine mitgebracht. Ich war baff erstaunt, als diese für sich plötzlich erklärten: Wir sind jetzt Alliierte für Menschenrechte!
Sie alle hatten weder etwas mit dem Faschismus, geschweige denn mit dem Holocaust zu tun. Sie kamen aus verschiedenen Ländern. Das IPS-Programm hat sie zusammengebracht. Sie haben für sich und gemeinsam erklärt: Nie wieder!
Allein diese Episode könnte das IPS-Programm als moralische Institution adeln. Aber darum geht es nicht, jedenfalls nicht nur darum. Das IPS-Programm hat zugleich einen wissenschaftlichen Anspruch.
4. Das IPS-Programm
4.1 Ziele
Ziel des IPS ist es, das Interesse junger Menschen für Demokratie zu erhöhen und sie zur Teilnahme gesellschaftlichen Leben zu ermutigen. Demokratische Werte und Toleranz, Vielfalt und Miteinander sollen erlebt werden.
Dem entsprechend wurde die Werkstatt Parlament konzipiert, wie es der Abgeordnete Wolfgang Börnsen nennt. Er ist Mitglied der Berichterstattergruppe des Bundestages für Internationale Austauschprogramme.
Durch persönlichen Kontakt lernen über 100 junge Akademikerinnen und Akademiker aus unterschiedlichen Ländern, lernen andere Kulturen, Sichtweisen und Mentalitäten kennen und besser verstehen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren zugleich Vieles aus der Kultur, aus der Wirtschaft und vom politischen Leben in Deutschland. Das kann für ihren weiteren beruflichen Weg sehr hilfreich sein.
4.2 Inhalt
Was erwartet nun die Stipendiaten/innen in diesen fünf Monaten?
Das IPS-Programm läuft vom 1. März bis zum 31. Juli eines jeden Jahres. Herzstück ist eine 15-wöchige Tätigkeit bei einem Mitglied des Bundestages.
Die Stipendiatinnen und Stipendiaten werden dabei aktiv in die Arbeit eines Abgeordneten und seines Büros eingebunden.
Sie begleiten ihre Abgeordneten zu Sitzungen der Ausschüsse, Fraktionen und anderer Gremien. Sie gewinnen dadurch Einblicke in die internen Funktionsweisen, Zusammenhänge und Abläufe des Parlaments.
Ergänzend hierzu besuchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Laufe des Stipendiums regelmäßig Informationsprogramme und Seminare, die der Deutsche Bundestag und die sechs politischen Stiftungen veranstalten.
In den Abgeordnetenbüros erhalten die Stipendiaten vielfältige und intensive Eindrücke über die Arbeitsweise des Parlaments und die Behandlung politischer Themen durch die jeweiligen Volksvertreter.
Im Rahmen einer ganztägigen Beschäftigung werden sie mit verschiedenen Aufgaben betraut, nicht zuschauend, sondern aktiv mitwirkend. (z. B. gutachtliche Ausarbeitungen, Abfassung von Reden, Pressemitteilungen und Briefen, Vorbereitungen von Sitzungen oder Sekretariatsaufgaben).
Ein wichtiger Programmteil ist der Besuch in den Wahlkreisen. Meine Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag geben den Stipendiaten somit eine einzigartige Gelegenheit, die Wurzeln ihrer politischen Arbeit in den verschiedenen Regionen Deutschlands kennen zu lernen.
Hinzu kommt die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität, der Freien Universität und der Technischen Universität. Unsere Stipendiaten erhalten so Einblicke in die Hochschullandschaft Berlins. Und sie haben dort die Möglichkeit bis zu zwei Vorlesungen oder Seminare zu besuchen.
Das Referat für Internationale Austauschprogramme des Deutschen Bundestages betreut die Stipendiaten und ist für die gesamte Organisation zuständig.
Das Programm wird vollständig vom Deutschen Bundestag finanziert. Dies umfasst u. a. ein monatliches Stipendium in Höhe von 450,- Euro, die Unterbringung sowie die An- und Abreisekosten für die Stipendiaten.
Die Kosten für die Durchführung von Seminaren (u. a. Einführungsseminare, die Studienseminare der politischen Stiftungen und die Wahlkreisbesuche) werden ebenfalls übernommen.
Außerdem werden die Versicherungskosten (Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung) getragen. Zusätzlich übernimmt der Bundestag die Kosten für die Verwaltungs- sowie Universitätsgebühren und die Sozialbeiträge.
4.3 Auswahlkriterien
Sie fragen sich jetzt sicherlich, wer am IPS-Programm teilnehmen kann und wo man sich bewerben kann?
Die Bewerber müssen über sehr gute deutsche Sprachkenntnisse verfügen, ein abgeschlossenes Universitätsstudium (Diplom-, Magister-, Staatsprüfung, Bachelor, Master oder Promotion) vorweisen und die Staatsbürgerschaft des jeweiligen Landes besitzen, in dem man sich bewirbt.
Ihr Berufsziel sollte eine Tätigkeit im öffentlichen Leben des Heimatlandes (z. B. bei Medien, Parteien, Verbänden, Hochschulen oder im Staatsdienst) sein. Auch die freie Wirtschaft nimmt ehemalige Stipendiaten gerne auf.
Es geht um junge gebildete Leute, dass heißt: Zu Programmbeginn sollen sie ihr 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden in einem zweistufigen Verfahren ausgewählt. Eine erste Auswahl trifft die Deutsche Botschaft im Land der Bewerberinnen bzw. Bewerber.
Die abschließende Auswahl erfolgt in einem persönlichen Gespräch mit einer Kommission aus Deutschland. Dazu gehören Abgeordnete des Bundestages und Vertreter der drei Universitäten. Auch deshalb bin ich hier.
5. Weiterentwicklung des IPS-Programms
5.1 Partnerprogramme
Das IPS-Programm ist lukrativ. Das können Sie auch daran sehen, dass immer wieder und immer mehr junge Deutsche ebenso an einem solchen Austauschprogramm teilnehmen möchten.
Erfreulicher Weise wird die Idee des Internationalen Parlaments-Stipendiums in ähnlicher Weise auch von Parlamenten anderer Länder aufgenommen.
So bieten Frankreich, Polen, Lettland und Ungarn ein ähnliches Programm für interessierte deutsche Hochschulabsolventen an. Auch Russland und Bulgarien waren schon dabei. Tschechien und Israel erwägen, deutsche Hochschulabsolventen zu sich einzuladen.
Wir freuen uns jedenfalls, dass so auch Absolventen aus unserem Land die Möglichkeit erhalten, andere Parlamente, deren Arbeitsweise, das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben des jeweiligen Landes kennen zu lernen.
5.2 Alumni
Die Freundschaft zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern und Deutschland wird nicht nur während des IPS beim Deutschen Bundestag, sondern oft auch noch viele Jahre danach gepflegt.
Jeder IPS-Jahrgang ist untereinander vernetzt. In vielen der Partnerländer sind IPS-Vereinigungen der ehemaligen Stipendiaten gegründet worden.
Diese Vereinigungen bieten Veranstaltungen und Gesprächsrunden an. Darüber hinaus lädt der Deutsche Bundestag regelmäßig alle Vorsitzenden dieser IPS-Vereinigungen nach Berlin ein, um die Bildung des Netzwerks zu unterstützen.
Zu den Aktivitäten der IPS-Vereinigungen gehören u. a.:
Vertretung der Stipendiatinnen und Stipendiaten im jeweiligen Land und Vermittlung von Kontakten zwischen dem Deutschen Bundestag und den IPS-Vereinigungen,
Vermittlung von Informationen über das Programm des IPS in ihren Heimatländern,
Beratung und Vorbereitung der ausgewählten Bewerberinnen und Bewerber auf das IPS-Programm,
Austausch von Erfahrungen zwischen den Stipendiatinnen und Stipendiaten aus verschiedenen Programmjahren und Ländern, Organisation von Gesprächsrunden, Stammtischen und Veranstaltungen.
Ein besonderes Augenmerk ist auf die vielfältigen Internetseiten der IPS-Vereinigungen zu legen. Sie bieten die Möglichkeit des Meinungsaustauschs zu politischen, sozialen und kulturellen Themen. Außerdem können die Stipendiaten ihre Erfahrungen während und nach dem Stipendium austauschen.
Darüber hinaus bieten diese Internetauftritte den am IPS interessierten jungen Menschen einen unmittelbaren Zugang zu Informationen über das Praktikum in den Abgeordnetenbüros.
6. Fazit
Schließen möchte ich mit einem Zitat:
Jedes Wort des Namens ‚Internationales Parlaments-Stipendium des deutschen Bundestages' hat eine besondere Bedeutung. Aber sie sind miteinander verbunden: die internationale Atmosphäre des Programms, die deutsche parlamentarische Politik, die Büroarbeit, die deutsche Kultur und die deutsche Geschichte.
Nun, da meine 5-monatige Reise fast zu Ende ist, bedanke ich mich bei allen, die dabei waren: im Bundestag, in der Humboldt-Universität, im Büro von Frau Pau, im Wahlkreis von Herrn Börnsen, auf Reisen durch Deutschland, im Alltag mit Stipendiaten aus 26 Ländern.
Dieses - von mir sehr gestraffte - Resümee schrieb im Juli dieses Jahres eine Stipendiatin aus Israel. Ich danke ihr für interessante gemeinsame Erlebnisse und ich danke ihnen für die Aufmerksamkeit.
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