Aktuelle Notiz: Gauck wählen?

von Petra Pau
Berlin, 24. Juni 2010

1. 

Der Gedanke ist verführerisch. Nicht sieben auf einen Streich, wie weiland beim tapferen Schneiderlein, aber immerhin drei Hiebe wären mit einem „Ja für Gauck“ zu landen. SPD und Grüne liefen mit ihrem Unsinn ins Leere, DIE LINKE vorzuführen zu wollen. Union und FDP, ohnehin strudelnd, verlören möglicherweise auch noch „ihren“ Bellevue-Kandidaten Wulff. Und Gauck selbst würde ein Präsident von Linken Gnaden, was er eigentlich brüsk abweisen müsste, wollte er sich nicht als prinzipienlos entlarven.

2. 

Gauck nutzt die Chance, die ihm Taktiker der SPD und der Grünen eröffnet haben. Obwohl er inhaltlich wenig mit der SPD und mit den Grünen am Hut hat. Das spricht gegen ihn, noch mehr aber gegen die SPD und gegen Bündnis 90/Die Grünen. Sie alle agieren wie politische Gaukler - ohne Skrupel, dumpf parteipolitisch. Und die Medien spielen mit. Sie hofieren Gauck als aufrechten Bürgerrechtler und als moralische Instanz. Beides ist er mitnichten. Er hat Kriege befürwortet, er hat Sozialabbau belobigt und er hat Hitlers NS-Regime relativiert.

3. 

Es gibt Bürgerrechtler aus DDR-Zeiten, die auch unter BRD-Verhältnissen noch immer als Bürgerrechtler unterwegs sind. Sie veröffentlichten bereits 2001 einen Aufruf: „Wir haben es satt!“ Es war eine Abrechnung mit der DDR und mit der BRD. Die meisten Unterzeichner wurden für ihre DDR-Dissidenz von der BRD hoch dekoriert. Sie ließen sich ehren, aber nicht bestechen. Sie blieben Bürgerrechtler. Gauck gehörte nicht dazu.

4. 

Gauck ist ein Unions-Prediger im rot-grünen Gewand. Er ist Hartz IV. Er ist Afghanistan-Krieg. Er ist Vorratsdaten-Speicherung. Ich kenne jedenfalls keine pastorale Rede von Gauck dagegen. Auch nicht wider die aktuellen so genannten Sparpakete der Regierungs-Parteien, mit denen wieder einmal den Armen genommen und den Reichen gegeben werden soll. In der Bibel steht es genau andersherum. Pfarrer Gauck sollte sie eigentlich kennen.

5. 

Das Tapfere-Schneiderlein-Spiel mag verlocken. Wenigstens im dritten Wahlgang, falls es den am 30. Juni 2010 in der Bundesversammlung geben sollte. Aber: Der letzte Bundespräsident hat sich urplötzlich in die Büsche geschlagen. Der nächste soll raffiniert hineingetrickst werden. Mit der viel beschworenen Würde des hohen Amtes hat das alles wenig zu tun - mit den realen Problemen vieler Bürgerinnen und Bürger im wahren Leben schon gar nicht.

6. 

Sollte der Präsident der Bundesrepublik künftig vom Volk gewählt werden? Luc Jochimsen, befürwortet das. Ich bin dagegen. Das würde eine Macht des Präsidenten oder der Präsidentin suggerieren, die das Amt aus guten Gründen nicht hat. Wichtiger wäre direkte Demokratie in Sachfragen, also Volksabstimmungen auch auf Bundesebene. Denn in dieser Frage ist Deutschland noch immer ein EU-Entwicklungsland. Trotz „Rot-Grün“ 1998 bis 2005!
 

 

 

24.6.2010
www.petra-pau.de

 

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