Aktuelle Notiz: Stopp-Zeichen gegen Sicherheitsstaat

von Petra Pau
Berlin, 2. März 2010

1. 

Der 2. März 2010 war ein gutes Datum. Das Bundesverfassungsgericht verkündete in Karlsruhe sein Urteil zur so genannten Vorratsspeicherung. Es erklärte die Vorratsspeicherung aller Telekommunikations-Verbindungsdaten für grundgesetzwidrig. Mehr noch: Das entsprechende Gesetz sei „Null und nichtig!“. Was auch heißt: Bereits gespeicherte Daten sind unverzüglich zu löschen.

2. 

Zur Erinnerung: „Vorratsdatenspeicherung“ bedeutet, alles wird erfasst, anlasslos: Wer hat wann und wo mit wem telefoniert? Wer hat wem wann eine SMS geschickt? Wer hat eine e-mail verschickt oder empfangen, und so weiter. So entstehen Kommunikations- und Bewegungs-Profile. Aus beiden und weiteren gehorteten Daten lassen sich Persönlichkeits-Profile erstellen. Längst war vom Überwachungs-Staat die Rede.

3. 

Deshalb war das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auch eine schallende Ohrfeige für die beteiligten Regierungsparteien, insbesondere für die CDU/CSU und für die SPD. Sie haben sich namens vermeintlicher Sicherheit wiederholt über das Grundgesetz erhoben. Das höchste Gericht der Bundesrepublik Deutschland hat ihnen dieses verfassungsfeindliche Verhalten mehrfach ins Stammbuch geschrieben.

4. 

Nun werden Heerscharen von Juristinnen und Juristen den Wortlaut des Urteils analysieren. Immerhin umfasst es 58 A4-Seiten, dicht beschrieben. Entscheidend war etwas anderes. Rund um die „Vorratsdatenspeicherung“ hat sich eine neue Bürgerrechtsbewegung formiert. Allein in „Karlsruhe“ klagten über 35.000 Bürgerinnen und Bürger gegen die Bundesregierung. Ich gehörte zu dieser Klagegemeinschaft - mit Erfolg.

5. 

Gleichwohl gibt es keine Entwarnung. Noch hält die EU an der kritisierten Vorratsdatenspeicherung fest und die CDU/CSU feilt längst an einem Ersatzgesetz. Via „Elena“ werden seit Anfang 2010 sensible Gehalts-, aber auch politische Daten über ausnahmslos alle Beschäftigten erfasst. US-Geheimdienste wollen weiterhin EU-Konten ausspähen. Ebenso werden Flugpassagiere maßlos ihrer Daten beraubt.

6. 

Mangelnder Datenschutz gefährdet Bürgerrechte, untergräbt Freiheitsrechte und ist Gift für die Demokratie. Diese grundlegende Warnung hat das Bundesverfassungsgericht nun wiederholt. Seit Jahren ist Deutschland auf dem schlechten Weg von einem demokratisch verfassten Rechtsstaat zu einem präventiv agierenden Sicherheitsstaat. Dagegen wurde heute ein wichtiges Stopp-Zeichen gesetzt.

PS:
Es war das letzte Urteil, das von Prof. Hans-Jürgen Papier verkündet wurde. Er gibt den Vorsitz des Bundesverfassungsgerichtes turnusmäßig ab. Der als konservativ geltende Richter hat abschließend ein Vermächtnis hinterlassen. Mit ‚seinem' Urteil zu „Hartz IV“ hat er den Sozialstaat gestärkt und mit seinem Urteil gegen die „Vorratsspeicherung“ hat er den Rechtsstaat bestärkt.
 

 

 

2.3.2010
www.petra-pau.de

 

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