Aktuelle Notiz: brutale Aufklärer

von Petra Pau
Berlin, 16. Dezember 2009

1. 

Er wolle eine „brutalst mögliche Aufklärung“! Diese Worte stammen von Roland Koch, damals und noch immer Ministerpräsident von Hessen. Er sprach sie, als Ende der 1990er Jahre gleich mehrere millionenschwere Spenden- und Schwarzgeld-Affären der CDU publik wurden. Daran beteiligt waren unter anderem Ex-Kanzler Helmut Kohl und selbiger Roland Koch. Endgültig aufgeklärt wurden sie nie.

2. 

Nun surft wieder ein CDU-Politiker durch die Talkshows und fordert „vollständige Aufklärung“. Diesmal geht es um ein Bombardement bei Kundus (Afghanistan). Ein deutscher Oberst hat es angeordnet. Nach bisherigen Annahmen kamen dabei über 140 Menschen zu Tode, darunter auch viele Zivilisten. Er setze zur Aufklärung „auf den parlamentarischen Untersuchungsausschuss“, wiederholt zu Guttenberg nimmermüde.

3. 

Dafür bekommt der neue Verteidigungsminister landauf, landab viel Lob. Endlich mal einer, der es wissen will. Und endlich mal einer, der das Parlament ernst nimmt. Heute wurde dieser Untersuchungsausschuss im Bundestag eingesetzt. Damit aber nimmt ein neues Täuschungsmanöver seinen brutalst möglichen Lauf. Minister zu Guttenberg kennt die finsteren Spielregeln, ebenso wie die CDU/CSU-Fraktion und die FDP.

4. 

Anderthalb Stunden wehrte Staatssekretär Christian Schmidt (CDU) heute im Bundestag brisante Fragen ab. Er sprach viel und er sagte nichts. Immer wieder verwies er auf den Untersuchungsausschuss. Ebenso der Verteidigungsminister: Kein Wort von ihm über die politischen und militärischen Hintergründe des Bombardements. Das alles sei Sache des Untersuchungsausschusses, beschwor zu Guttenberg.

5. 

Der vielzitierte Untersuchungsausschuss hat allerdings einen für die CDU/CSU willkommenen Makel. Er ist ein Geheimausschuss. Niemand darf erfahren, was sich in seinem Inneren abspielt, welche Fakten zu Tage gefördert werden, wer was getan, unterlassen oder zu verantworten hat. Und niemand, der Mitglied des Ausschusses ist, darf darüber reden. So wird die „brutalst mögliche Aufklärung“ systematisch eingekerkert.

6. 

Ergo versuchen die Regierungs-Fraktionen möglichst viele Fragen in diesem Ausschuss zu bunkern, mitnichten nur die im engeren Sinne militärischen, für die der Verteidigungs-Ausschuss ansonsten zuständig ist. Wer hat den Befehl zum Bombardement gedeckt? Was hat die Bundeskanzlerin gewusst? Wie konkret waren die Spezialkräfte der Bundeswehr bei Kundus beteiligt? Alles wird so zur Verschluss-Sache!

7. 

Die Harlekin-Nummer in der Bundestagsdebatte übernahm indes Frank-Walter Steinmeier. Der neue Fraktionschef der SPD zürnte heute heftig, ob der Geheimniskrämerei der CDU/CSU. Zu Guttenberg bräuchte doch im Plenum einfach nur Fragen mit Ja oder Nein antworten, um Licht ins Dunkel zu bringen, forderte er forsch. Viele Medien meldeten dies frohgemut. Zum Trauerspiel gesellt sich das brutalst mögliche Vergessen.

8. 

Noch vor kurzem gab es im Bundestag den so genannten BND-Untersuchungsausschuss. In ihm ging um Menschenrechtsverletzungen im „Kampf gegen den Terrorismus“, um die Rolle der Deutschen Regierung, um den Part des damaligen Kanzleramtchefs - Frank-Walter Steinmeier. Das Bundeskabinett hatte damals alle brisanten Dokumente zu Verschlusssachen erklärt, nicht einsehbar, nicht verhandelbar.

9. 

FDP, LINKE und Grünen klagten daraufhin gegen diese Behinderungen des Parlaments. Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen Recht. Die Regierung, mithin die CDU/CSU und die SPD, habe grundgesetzwidrig gehandelt. Dieses Urteil ist gerade mal fünf Monaten alt. Frank-Walter Steinmeier kam dennoch mit einem rosa Auge davon. Weil alles, was ihn belasten könnte, brutalst möglich der Aufklärung entzogen wurde.

10. 

Das aktuell von einem deutschen Oberst ausgelöste Bombardement mit über 140 Toten in Afghanistan ist ein Dammbruch. Vergleichbares hat es seit Ende des 2. Weltkrieges nicht gegeben. Das war „Todesstrafe ohne Gerichtsurteil“, meinte mein Fraktionskollege Jan von Aken heute. Weder die Bundeswehr, noch der Verteidigungsminister zu Guttenberg habe „eine Lizenz zum Töten“. Das alles schreit nach wirklicher Aufklärung.

PS: Derweil berichten die Medien über neue terroristische Angriffe gegen die Bundeswehr in Afghanistan. Ein Soldat wurde dabei sehr schwer verletzt. Alle Fraktionen im Bundestag wünschten ihm heute gute Genesung.
Aber wer spricht noch von den Angehörigen der 140 bei Kundus Getöteten?

 

 

16.12.2009
www.petra-pau.de

 

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