Aktuelle Notiz: SPD-Genesung ohne Lügen?

von Petra Pau
Berlin, 10. November 2009

1. 

„Wir wollen keine Lügen mehr“, so hieß ein Schlager von Frank Schöbel zu Endzeiten der DDR. Er traf damit die Stimmung vieler. Der designierte SPD-Vorsitzende Siegmar Gabriel versucht derzeit ähnliches. Nicht singend, sondern beschwörend. Aber es klingt einsam und unstimmig.

2. 

Gabriels Beschönigung: Die SPD habe zum Beispiel „4 Milliarden Euro für Ganztagsschulen bereitgestellt.“ Lüge! Die SPD-Grüne Bundes-Regierung hatte den für Bildung zuständigen Ländern und Kommunen auf einen Schlag per Steuerreform sieben Milliarden Euro netto entzogen.

3. 

Gabriel lobt, die SPD habe eine aktive Abrüstungspolitik betrieben und „Nein zum Irakkrieg“ gesagt. Lüge! Die Bundesrepublik Deutschland ist der drittgrößte Rüstungs-Exporteur weltweit. Und ein hohes deutsches Gericht befand, dass die BRD sehr wohl im Irak Kriegspartei sei.

4. 

Gabriel ist dankbar für das, was Gerhardt Schröder, Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier geleistet haben. Keine Lüge? Er sagt es und will ausgerechnet damit einen Neuanfang der SPD begründen. Irgendwie agiert er wie ein „Ritter der traurigen Gestalt“.

5. 

Harsch ging Frank-Walter Steinmeier nunmehr als Oppositioneller wider Willen mit Kanzlerin Merkel ins Gericht. Union und FDP raubten dem Gesundheitssystem die Solidarität, klagte er. Stimmt. Aber wo war die Solidarität bei der Einführung der Praxis- und Rezeptgebühr?

6. 

Und wer entließ sie bei der „Riester“-Rente? Die SPD selbst hatte das Tor zur Entsolidarisierung aufgestoßen, gemeinsam mit den Grünen. Banken und Konzerne jubelten darob und bedankten sich mit Parteispenden. Auf der Strecke blieben Arme und Kranke. Sie müssen die Zeche zahlen.

7. 

Und Andrea Nahles? Sie gilt als die Linke innerhalb der SPD - in den Medien. Dabei beschloss sie im Bundestag alles mit: die Rente ab 67, „Hartz IV“, die so genannte Gesundheitsreform, den Bundeswehr-Krieg in Afghanistan und die mehrfache Entlastung der Reichen.

8. 

Der Publizist Albrecht Müller hatte dereinst die Öffentlichkeitsarbeit der SPD geprägt und Wahlkämpfe konzipiert. Heute meint er: „Die SPD ist fremdbestimmt!“ Sie habe keine eigene Seele mehr. Ein böses Urteil. Denn es besagt: Die stolze SPD muss sich erst einmal emanzipieren.

9. 

Noch versucht es die SPD mit dem bekannten Satz: „Es war nicht alles schlecht!“ Das ist ihr gutes Recht und das wäre auch allein ihr Problem, ginge es nicht um mehr. Der Absturz der SPD hat Schwarz-Gelb stark gemacht, viel stärker, als Union und FDP wirklich sind.

10. 

Und die SPD hat ein Weiteres bewirkt: Sie hat mit alledem die Demokratie geschwächt. Umso mehr wünsche ich der SPD ohne jedwede Häme eine gründliche Genesung. Sie wird gebraucht. Davon bin ich überzeugt. Aber nicht als Basta-Schröder-sei-Dank-Partei.
 

 

 

10.11.2009
www.petra-pau.de

 

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