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Noch liegt vieles im Unklaren. Aber eines scheint festzustehen: Nach LIDL und der Telecom hat nun auch die Bahn AG einen handfesten Datenskandal. Offenbar wurde die gesamte Belegschaft - 240.000 Beschäftige - klammheimlich überprüft, angeblich, um Korruptionsfälle aufzudecken oder zu verhindern.
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Einige Kommentatoren lobpreisen das Ganze, weil Korruption bekanntlich schlecht und der Kampf dagegen gut ist. Bahn-Chef Mehdorn bezeichnete das alles als normal. Die Überprüfung sei Routine. Sogar so sehr, dass davon noch nicht einmal der Aufsichtsrat informiert werden müsse. So weit die Lobhudelei in eigener Sache.
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Was ist wirklich passiert? Ein Konzern hat all seine Beschäftigten unbegründet unter einen kriminellen Generalverdacht gestellt. Das widerspricht allen Prinzipien eines Rechtsstaates. Derselbe Konzern versucht sich zudem in Selbstjustiz. Auch das ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar. Kurzum: Die Konzern-Spitze hat die Bahn AG schlichtweg zum rechtsfreien Raum erklärt.
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Persönliche Daten sind per Grundgesetz geschützt. Bei der Bahn AG wurden sie 240.000-fach zu Freiwild. Also Verfassungsbruch. Angeheuert wurde dieselbe Detektei, die schon beim Telekom-Skandal dabei war. Was wiederum heißt: Es gibt offenbar gefragte Unternehmen, deren profitables Geschäftsmodell sich auf Verfassungsbruch gründet.
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Spätestens hier wäre die Politik gefragt. Keine Regierung darf es hinnehmen, dass ein Konzern das Recht aufkündigt und die Verfassung bricht. Sie duldet es dennoch. Es ist ihr Konzern. Und alles, was derzeit der Bahn AG vorzuwerfen ist, gilt bestenfalls als Ordnungswidrigkeit.
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DIE LINKE fordert seit langem ein Gesetz für mehr Arbeitnehmer-Datenschutz. Die verbriefte Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage dazu lautet hingegen: Wir sehen keinen Handlungsbedarf. Das wiederum ist ein politischer Freibrief für die Mehdorns & Co. Sie wähnen sich im Recht, obwohl sie Unrecht tun.
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Wie sie das tun, konkret die Bahn AG, verrät ein Protokoll, das dem Verkehrsausschuss des Bundestages vorliegt. Es war im Internet zu lesen. Nach rechtlichen Drohungen der Bahn AG verschwand es dort wieder. Aber nur kurzzeitig. Ein Abgeordneter der Grünen hat es wieder ins weltweite Gewebe gesetzt. Das Schriftstück lässt tief blicken.
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Denn es belegt: Heimlich wurden Computer von Bahn-Mitarbeitern ausgespäht und Festplatten kopiert. Zudem wurden Bank-Verbindungen und Konto-Bewegungen erfasst, auch von Angehörigen der Belegschaft. Ins Visier kamen zudem Leute, die von Bahn-Beschäftigten e-mails erhielten. Es geht also nicht nur um 240.000 Bahn-Beschäftigte.
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Ziel der Spähangriffe der Bahn waren auch Dateien über Leute, die verbilligte Fahrkarten erwarben. So weist es jedenfalls die ungeliebte Notiz aus, die dem Verkehrsausschuss des Bundestages vorlag. Der Gedanke, dass damit alle erfasst und gemeint sein könnten, die eine Bahn-Card erworben haben, ist schwer erträglich, aber nicht mehr abwegig.
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Ein Verkehrspolitiker der FDP meint zudem belegen zu können, dass mit einem weiteren Datenabgleich erforscht werden sollte, ob Bahnbeschäftigte Kontakte zu Journalisten oder Politikern hatten. Das wiederum würde bedeuten, dass auch letztere im Visier der Konzern-Spitze waren. Mehdorn dementiert das bisher.
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Kurzum: Der Bahn-Skandal erweitert eine Serie von Datenskandalen. Aber er offenbart auch eine neue Qualität der Überwachung. Bahn-Chef Mehdorn hat übrigens schon vier Verkehrsminister "überlebt". Wesentlicher ist: Bislang ist ihm kein Verfassungs-Minister in die Parade gefahren, weder Otto Schily (SPD), noch Wolfgang Schäuble (CDU).
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Aber auch das ist zweitrangig. Denn die Mehdorns sind austauschbar. Viel entscheidender ist, dass die Politik, konkret die CDU/CSU und die SPD, bisher nichts unternommen hat, endlich den Datenschutz zu stärken, für Arbeitnehmer und überhaupt. So lange das nicht geschieht, ist alle Regierungs-Empörung nur ein lautstarkes Ablenkungsmanöver.
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