Das war kein Gipfel, das war ein Hügelchen

Bundestag, 16. September 2008, Debatte zum Haushalt 2009, Innenressort
Rede von Petra Pau

1. 

Am 4. September hatte Bundesinnenminister Schäuble Datenschützer und weitere Minister zu einem Datenschutzgipfel geladen. Danach gab es eine Pressekonferenz und ein bemerkenswertes Bild. Bundesinnenminister Schäuble und der Bundesbeauftragte für Datenschutz Schaar lobten sich wechselseitig. Ein seltenes Bild. Ich gönne es Ihnen, Herr Innenminister.

2. 

Aber das Bild täuscht über all zu viele Probleme hinweg. Ja, der Gipfel hat Wichtiges vereinbart, um die persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen. So dürfen ihre Daten ohne ausdrückliche Zustimmung künftig nicht mehr gehandelt werden. Dieser und weiteren Vereinbarungen wird DIE LINKE im Bundestag zustimmen.
Zudem wird DIE LINKE ein Sonderprogramm „Datenschutz“ beantragen. Damit soll der Bereich des Bundesdatenschutzbeauftragten - personell und technisch - auf das erforderliche Niveau gebracht werden. Denn man kann nicht verbal den Datenschutz stark reden und de facto den Datenschutzbeauftragten schwach halten.

3. 

Zurück zum Gipfel: Er drehte sich ausnahmslos um die Privatwirtschaft. Ein ganz großer Datenstaubsauger aber ist der Staat selbst. Ich erinnere nur an die Vorratsspeicherung aller Telekommunikations-Daten. Dagegen läuft eine Sammelklage beim Bundesverfassungsgericht. Und ich wiederhole für DIE LINKE: Die Vorratsdatenspeicherung muss weg.

4. 

Hinzu kommt: Immer mehr sensible Daten werden von Staats wegen EU-weit gestreut oder in die USA verschickt - also ins Datenschutz-Nirwana. Auch das spielte auf dem so genannten Datenschutzgipfel keine Rolle. Bundesinnenminister Schäuble hatte vordem forsch behauptet: Das Übel sei privat, „der Staat ist sauber“. Das sieht DIE LINKE ganz anders.

5. 

Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Bei der Bundesdruckerei häufen sich persönliche Daten aller Bürgerinnen und Bürger, auch biometrische. Es ist also ein höchst sensibler Betrieb. Trotzdem wurde die Bundesdruckerei im Jahr 2000 von der SPD und von den Grünen privatisiert. Entgegen allen Mahnungen und Protesten, auch ich war dagegen.

6. 

Nun lese ich: Die Bundesdruckerei soll wieder verstaatlicht werden - aus Sicherheitsgründen. Ich begrüße das. Aber ich frage zugleich: Wie unsicher waren die Daten von 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in den acht Jahren dazwischen? Auch dieses Beispiel zeigt: Der Staat ist mitnichten sauber. Er ist vielmehr ein Daten-Risiko ersten Ranges.

7. 

Deshalb sage ich auch: Das schöne, seltene Bild vom Datenschutzgipfel war ein Trugbild. Es war kein Gipfel. Es war bestenfalls ein Hügelchen. Denn das weitergehende Problem harrt noch immer einer Lösung. Wir brauchen endlich ein Datenschutzrecht, das dem 21. Jahrhundert gerecht wird. Davon sind wir aber meilenweit entfernt.

8. 

Eigentlich müsste es doch alle Fraktionen des Bundestages beschämen, wenn das Bundesverfassungsgericht die Daten der Bürgerinnen und Bürger immer wieder gegen Regierungsgelüste schützen muss.
Leider ist es so. Das ehrwürdige Bundesverfassungsgericht ist im Internet-Zeitalter angekommen. Die große Koalition ist es noch immer nicht.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

16.9.2008
www.petra-pau.de

 

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