Aktuelle Notiz: Datenschutz ins Grundgesetz?
von Petra Pau
Berlin, 18. August 2008
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Die Bundeszentrale für Verbraucherschutz hat versucht, persönliche Daten zu kaufen. Mit Erfolg, binnen zwei Tagen erwarb sie zum Schein sechs Millionen persönliche Daten, darunter höchst brisante, wie Kontoverbindungen. Das Ganze habe sie wenig Mühe und lediglich 850 Euro gekostet, heißt es. Ein Daten-Gau, finden Datenschützer.
Bereits vorige Woche bekamen Datenschützer zwei Mal anonym Datenträger zugeschickt, die erahnen lassen, in welchem Maße geschützte Daten längst zum allgemeinen Handelsgut geworden sind. Schon vordem war publik geworden, dass die Telekom massiv persönliche Daten missbraucht hatte. Der Skandal harrt noch immer seiner Aufklärung.
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Im Bundestag gab es am 19. Juni 2008 eigens eine Generaldebatte dazu. Das Protokoll dieser Aussprache findet sich unter anderem unter http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/pp/169/16169j.zip. Ich redete seinerzeit für die Fraktion DIE LINKE, anzusehen auch als Video über http://de.youtube.com/watch?v=hV5X2vWxDYs&feature=user.
Meine Botschaft war klar: Wir brauchen endlich ein Datenschutzrecht, das dem 21. Jahrhundert, dem Zeitalter des Internets, der Handys und der allgemeinen Videoüberwachung gerecht wird. Denn das geltende Datenschutzrecht stammt wesentlich noch aus der Zeit, da mit dem Bleistift geschrieben und mit dem Dampfradio gehört wird.
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Bündnis 90/Die Grünen fordern nun, dass der Datenschutz explizit im Grundgesetz verankert wird. Dafür hatte ich auch schon plädiert. Die stellvertretende Vorsitzende der Partei DIE LINKE, Halina Wawczyniak, hält das für unnötig, da der Datenschutz dort bereits indirekt verankert sei. Wir werden das gewohnt freundschaftlich miteinander klären.
Ähnlich argumentiert erwartungsgemäß auch die Bundesregierung. So wiesen das Bundesjustizministerium und das Bundesinnenministerium heute darauf hin, der Datenschutz könne bereits jetzt aus dem Grundgesetz herausgelesen werden, etwa beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Man sehe daher keinen Handlungsbedarf.
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Außerdem ließen beide Ministerien unterstreichen, dass Datenmissbrauch bereits jetzt strafbar ist, mit Geldbußen von bis zu 250.000 Euro bzw. mit Haftstrafen bis zu zwei Jahren. Beim geschilderten Scheinkauf von sechs Millionen persönlichen Daten würde die Höchstgeldbuße übrigens eine Strafe von nicht einmal fünf Cent pro verkaufter Person betragen.
Und dass hierzulande je jemand wegen Datenmissbrauchs zu Haftstrafen verurteilt wurde, ist mir bisher nicht zu Ohren gekommen. Noch immer gilt Datenhandel als Kavaliersdelikt oder gar als Beleg besonderer wirtschaftlicher Tüchtigkeit. Denn der zunehmende Datenhandel ist weltweit ein hart umkämpftes Milliarden-Geschäft.
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Besonders pikant am nun aufgeflogenen Deal mit sechs Millionen Daten ist zudem: Sie sollen ursprünglich - wie andere vorher auch schon - von der Klassenlotterie stammen. Wohl bemerkt: Das ist ein staatliches Unternehmen. So, wie auch die Aufsicht bei der Telekom - ein ehemaliger Staatskonzern - noch immer bei der Bundesregierung liegt.
Die rechtliche Zurückhaltung der Bundesregierung muss also tiefer liegende Gründe haben. Und die gibt es. Denn einer der größten Sammler und Händler ist die Regierung selbst. Ob Passagier-Daten oder Kommunikations-Daten, sie will alles haben und wissen und sie schickt vieles davon obendrein in die USA, also ins datenrechtliche Nirvana.
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Auch deshalb bleibe ich vorerst bei meiner Überzeugung: Der Datenschutz sollte explizit im Grundgesetz ausgewiesen werden. Denn die Möglichkeit, den Datenschutz aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung herauszulesen, ist eine naheliegende Interpretation des Grundgesetzes, wie ich finde, aber keine zwingende.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach im Sinne eines erweiterten Datenschutzes geurteilt. Aber genauso ist bekannt: Vor allem die Unions-Parteien hoffen inständig darauf, dass sich die personelle Zusammensetzung des höchsten Gerichtes demnächst ändert. Dann könnte anders interpretiert werden und genau das sollte man verhindern.
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PS 1: Natürlich ist die explizite Aufnahme des Datenschutzes ins Grundgesetz nicht hinreichend. Es gibt mehr Handlungsbedarf.
PS 2: Die sichersten Daten sind noch immer jene, die nicht preisgegeben werden, auch nicht für vermeintliche Schnäppchen oder Sicherheit.
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