Mehr Demokratie wagen

Bundestag, 26. Juni 2008, Aktives Wahlalter bei Bundestagswahlen auf 16 Jahre absenken
Rede von Petra Pau

(zu Protokoll gegeben)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt, das aktive Wahlalter bei Bundestagswahlen von bisher 18 Jahren auf künftig 16 Jahre zu senken. Dem werden wir zustimmen. Denn die Senkung des Wahlalters auch auf Bundesebene gehört zum Gesamtpaket der Linken für mehr Demokratie.

Damit könnte ich meine Rede auch schon wieder beenden. Aber es hat in den vergangenen Wochen ein paar Äußerungen zum Thema Menschenrechte, Demokratie und Wahlrecht gegeben, die ich für DIE LINKE nicht unwidersprochen lassen will, auch nicht im Deutschen Bundestag.

So warnte zum Beispiel Alt-Bundespräsident Roman Herzog vor einer "Rentner-Demokratie", weil die Zahl der Alten zu und die Zahl der Jungen abnehme. Und er sprach von der Gefahr, dass die Alten die Jungen ausplündern könnten. Ich finde: Das grenzte schon an Senioren-Rassismus.

Der Anlass für seine Auslassungen war übrigens absurd. CDU/CSU und die SPD, also die große Koalition, hatte sich auf eine außerplanmäßige Rentenerhöhung um 1,1 Prozent geeinigt. Was bei den steigenden Preisen nichts anderes bedeutet, als einen realen Rentenverlust um 2 Prozent.

Der reale Rentenverlust aber war für Roman Herzog kein Thema. Übrigens auch nicht, dass dieselben Rentnerinnen und Rentner den Scheingewinn in zwei Jahren mit Verlusten zurückzahlen müssen. Herzog eröffnete die Front: Jung gegen Alt. Genau das aber wird DIE LINKE nicht mitmachen.

Vordem wollte schon der damalige Vorsitzende der Jungen Union, Herr Missfelder, die Gesundheitsversorgung für Seniorinnen und Senioren kappen, weil sie sich finanziell nicht mehr rechne. Und danach ging der Vorsitzende des CDU-nahen Studentenverbandes RCDS, Herr Ludewig, noch weiter.

Er wollte das Wahlrecht für Seniorinnen und Senioren ebenso beschränken, wie das Wahlrecht für Arbeitslose. Und da frage ich mich schon: Was für ein Menschen-Bild und Demokratie-Verständnis grassiert da inmitten der Christlich Demokratischen Union? Vorwärts ins 15. Jahrhundert?

Das alles ist weder mit dem Gebot der Schöpfung, noch mit der unantastbaren Würde aller Menschen vereinbar. Es widerspricht auch dem Grundgesetz. Und so zeigt sich erneut: Die Union ist fix dabei, andere als Verfassungsfeinde abzustempeln. Aber sie übersieht den tiefschwarzen Balken im eigenen Auge.

Richtig ist: Durch die demografische Entwicklung erhalten die Stimmen der Älteren zahlenmäßig mehr Gewicht, als die Stimmen der Jüngeren. Völlig falsch aber ist daraus zu folgern, dass sich die Älteren deshalb zu Lasten der Jüngeren bereichern wollen. Das ist schlicht eine böse Unterstellung.

Ich habe bereits nach dieser Entgleisung von Roman Herzog gesagt: Nur weil Menschen heute älter werden, als früher, darf man sie nicht ihrer Bürgerrechte berauben. Das darf man überhaupt nicht. Viel klüger und weitreichender wäre es stattdessen, das Wahlalter für Jüngere zu senken. Dafür ist DIE LINKE.

Das wäre mehr Demokratie und nicht weniger. Und vielleicht hilft der SPD bei alledem ihr Langzeit-Gedächtnis. Denn Willi Brandt wurde mit dem Slogan "mehr Demokratie wagen" dereinst Kanzler. Sagen sie also Ja zum Wahlalter mit 16 Jahren und sie hätten endlich wieder ein Positiv-Thema auf ihrer Seite.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

26.6.2008
www.petra-pau.de

 

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