Aktuelle Notiz: Volksabstimmung a lá CDU

von Petra Pau
Berlin, 27. April 2008

1. 

Die Befürworter der Volksabstimmung wollten den „Zentralflughafen Tempelhof“ weiterhin offen halten. Wer indes mit „Nein“ stimmte, bestätigte damit den Beschluss, den innerstädtischen Airport im Herbst 2008 zu schließen. Eine Mehrheit votierte heute dafür, den Flugbetrieb weiterzuführen. Aber es waren insgesamt zu wenig Befürworter.
 
So weit, so übersichtig, so möglicherweise uninteressant für Leute aus Bayern, Sachsen oder Schleswig-Holstein. Doch die Geschichten hinter der Geschichte bergen weit mehr Spannung, als man vielleicht fernab annimmt. Es war übrigens die erste landesweite Volksabstimmung in der Hauptstadt. Und damit beginnt schon die erste kuriose Episode.
 
Lange war Berlin im Vergleich der Bundesländer Schluss-Licht in Fragen direkter Demokratie. Das änderte sich, seit Rot-Rot regiert. 2007 wurde das Land Berlin von „Mehr Demokratie e. V.“ auf Platz 1 ausgewiesen. Auch, weil die Hürden für Volksabstimmungen deutlich gesenkt wurden, dank SPD, DIE LINKE, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.
 
Das alles geschah gegen den erbitterten Widerstand der CDU. Kaum aber hatten Volksentscheide auch Aussicht auf Erfolg, in den Bezirken und im Land, schon erfand die CDU ihre APO-Seele. Sie agitierte auf der Straße und sie sammelte Unterschriften, erst gegen eine „Rudi-Dutschke-Straße“ in Kreuzberg, dann für den Erhalt des Flughafens in Tempelhof.

2. 

Zum Flughafen-Streit: Berlin hat historisch gewachsen drei Airports, zwei innerstädtische, nämlich Tegel und Tempelhof, und einen stadtnahen, Schönefeld. Aktuell ist Tempelhof der kleinste und obendrein hoch defizitär. In den 1990er Jahren beschlossen daher der Bund, sowie die Länder Berlin und Brandenburg, einen modernen Flugplatz zu bauen.
 
Der neue Airport „Berlin-Brandenburg-International“ sollte demnach auf dem erweiterten Gelände des bisherigen Flughafens „Schönefeld“ gebaut werden. Im Gegenzug sollten „Tegel“ und „Tempelhof“ geschlossen werden. Parteipolitisch trugen diesen Beschluss die CDU, die SPD und die FDP, wobei die CDU im Bund und in beiden Ländern dabei war.
 
Nun entdeckte die Berliner CDU plötzlich ihr Herz für „Tempelhof“. Sie verwarf ihr Geschwätz von gestern und startete gemeinsam mit der Berliner FDP und spendablen Unternehmen eine Kampagne „Pro Tempelhof“. Die vorher verpönte direkte Demokratie wurde nun zum Non-Plus-Ultra des neuen CDU-Vorsitzenden Friedbert Pflüger.
 
Werbeexperten haben errechnet, dass das CDU-dominierte Pro-Tempelhof-Bündnis mindestens 3 Millionen Euro in ihren Werbe-Feldzug gesteckt hat. Die Stadt wurde mit Plakaten überzogen und die Boulevard-Zeitungen wurden mit ganzseitigen Anzeigen beschenkt. Stets dabei war übrigens immer auch Bahn-Chef Mehdorn.
 
Kurz vor der Volksabstimmung verplapperte sich allerdings Friedbert Pflüger in einer Talk-Show beim „rbb“. Er wolle gar keinen allgemeinen Passagierverkehr in „Tempelhof“, sondern dort hochkarätige Konzerne ansiedeln, mit eigenem Flugverkehr. Es ging also vor allem darum, ob die 400 Hektar privatisiert oder künftig öffentlich genutzt werden können.

3. 

Die dritte Episode hinter der Volksabstimmung wirft noch ein finsteres Licht auf die Befürworter des Flughafens „Tempelhof“. Großflächig wurde plakatiert: „Ich bin ein Berliner!“ Das war eine Anspielung auf die Rede John F. Kennedys 1963 vor dem Schöneberger Rathaus. Es war ein Lockruf an das West-Berliner Wir-Gefühl aus dem Kalten Krieg.
 
Dasselbe wurde mit Großflächen versucht, auf denen an die Luftbrücke 1949 erinnert wurde. Damals hatte die Sowjetunion West-Berlin zu Lande und zu Wasser abgeriegelt. Die USA versorgten die so eingeschlossenen Berlinerinnen und Berliner auf dem Luftweg, via Tempelhof. Ein großes Denkmal und ein „Tag der Luftbrücke“ erinnern noch heute daran.
 
Und so erhellen die Geschichten hinter der Volksabstimmung: Die Berliner CDU hat einen Erfolg von Rot-Rot zugunsten von mehr Demokratie genutzt, um mit kalter Kriegsstimmung den Ausverkauf der Stadt als Volkes Meinung erscheinen zu lassen. Nicht ohne Zuspruch, wie sich im Westen zeigte. Aber zum Glück ohne Erfolg in Gesamt-Berlin.
 

 

 

27.4.2008
www.petra-pau.de

 

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