Die entscheidenden Fragen werden ausgeblendet

Bundestag, 25. Januar 2008,Reform der Bundespolizei
Rede von Petra Pau

1. 

Mit dem Gesetz, das heute zu beschließen ist, soll eine Reform der Bundespolizei legitimiert werden, die bisher auch ohne Gesetz bereits eifrig realisiert wird. Ich nenne das eine grobe Missachtung des Parlaments. Denn der Bundestag ist keine Vollzugs-Abteilung des Bundesinnenministeriums. Und das Bundes-Innenministerium schwebt nicht über den Dingen, jedenfalls nicht nach dem parlamentarischen Verständnis der Fraktion DIE LINKE.
Vor elf Tagen gab es eine Experten-Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf. Drei von fünf Experten kritisierten das Gesetz und das Verfahren, also eine Mehrheit. Das Protokoll dieser Anhörung ist noch nicht einmal rechtskräftig. Trotzdem wollen die Unionsparteien und die SPD das Gesetz heute beschließen, ungeachtet aller Kritik. Ich nenne das abgehobenen Hochmut, übrigens auch gegenüber den betroffenen Bundespolizisten und deren Gewerkschaften.
Ein Experte kritisierte die Geheimhaltungspolitik der Bundesregierung. Wer gute Sachargumente habe, könne sich auch Transparenz leisten, sagte er. Das war eine höflich formulierte Ohrfeige. Es war übrigens nicht der Sachverständige der Linksfraktion, sondern der Experte der SPD, Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch. Trotzdem forciert auch die SPD das Gesetz- Wirr- Warr. Und nun frage ich mich, wer bei der SPD-Fraktion das Sagen hat, der eigene Sachverstand oder der Wille der CDU/CSU?

2. 

Als wir im Dezember hier über das Reformgesetz sprachen, kritisierte ich das Verfahren und ich sprach über die sozialen Sorgen, die Bedienstete der Bundespolizei umtreibt. Dafür erntete ich von Bundesinnenminister Schäuble den Zwischenruf: „alles gelogen“! Ich hätte diesen Zwischenruf rügen lassen können. Aber ich ließ ihn passieren und protokollieren. Das Protokoll kursiert inzwischen bei der Bundespolizei. So können sich die Polizistinnen und Polizisten authentisch ihren eigenen Reim machen.
Übrigens: Nur zwei Sachverständige fanden das Reformwerk grundsätzlich gut. Das war Herr Seeger. Er ist der Beauftragte des Bundesinnenministeriums für die Umsetzung der Reform. Und das war Herr Ziercke. Er ist Chef des Bundeskriminalamtes und als solcher offenbar in froher Erwartung, dass für das BKA bei alledem ordentlich etwas abfällt. Damit wäre ich nun aber beim Kern unserer Kritik.
Das vorliegende Gesetz regelt Dieses und Jenes. Den entscheidenden und politischen Fragen aber weicht es verlässlich aus. Nämlich wie passt die Reform der Bundespolizei in die neue Sicherheitsarchitektur, die Bundesinnenminister Schäuble vorschwebt? Diese Frage wäre einer Bundestags-Debatte würdig. Aber genau die fand bisher nicht statt. Das nährt Spekulationen, für die allein die große Koalition verantwortlich ist.

3. 

Im Gesetzentwurf ist z. B. von einem Stellenpool für Auslandseinsätze der Bundespolizei die Rede. Das Bundesinnenministerium bezeichnet diesen Pool als rein technische Regelung. Aber letztlich geht es um konkrete Auslandseinsätze mit konkreten Polizeibediensteten unter konkreten Einsatzbedingungen. Darüber wäre zu sprechen und darüber ist zu entscheiden - nicht irgendwo, sondern hier im Bundestag.
Deshalb erinnere ich an eine aktuelle Forderung der Fraktion DIE LINKE. Sie liegt als Antrag vor. Wir wollen endlich einen Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Polizei. Es kann doch nicht sein, dass der Bundstag über Auslandseinsätze der Bundeswehr zu entscheiden hat und dass zugleich Bundespolizisten nach Gutdünken in alle Welt geschickt werden können, möglicherweise auch noch als paramilitärische Einheiten.
Diese Praxis ist eine Missachtung des Parlaments und zugleich eine Missachtung der Bundespolizistinnen und -polizisten. Übrigens auch, dass klammheimlich Sonder-Abkommen zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern ausgehandelt wurden, ohne dass der Bundestag davon Kenntnis erhält. Und ich sage es vorher: Es gibt Journalisten, die warten jetzt nur auf den Zwischenruf von der Regierungsbank: „alles gelogen!“

Fazit:
Die Fraktion DIE LINKE wird diesem Gesetzentwurf zur Reform der Bundespolizei nicht zustimmen. Vor allem, weil Zweierlei nicht geht. Nämlich erstens, dass das Parlament dumm gestellt wird, während Tatsachen geschaffen werden. Und zweitens, dass zugleich an einer Sicherheitsarchitektur gebastelt wird, die möglicherweise oder wahrscheinlich dem Grundgesetz widerspricht.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

25.1.2008
www.petra-pau.de

 

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