Aktuelle Notiz: Vorratsdatenspeicherung

von Petra Pau
Berlin, 7. November 2007

1. 

Nach dem Willen der Unions-Parteien und der SPD sollen alle Telekommunikations-Verbindungsdaten sechs Monate gespeichert werden. Damit wird nachvollziehbar: Wer hat mit wem telefoniert, im Festnetz oder per Handy? Wer hat wem eine e-mail oder eine SMS geschickt? Wer hat im Internet welche Web-Seite angeklickt? Hinzu kommt: Die Anbieter haben das zu sichern und die Kunden zu bezahlen.

2. 

Bei Verbindungen mit dem Handy lässt sich zudem feststellen, wo sich jene, die telefoniert, eine e-mail oder eine SMS verschickt haben, gerade befanden. Daraus lassen sich Bewegungsprofile erstellen. Aber auch aus den anderen Daten lassen sich Rückschlüsse auf die jeweiligen Personen, ihre Beziehungen und Vorlieben ableiten. Der Staat will es. Das Grundgesetz verbietet es. Ich plädiere für den Schutz der Verfassung.

3. 

Was alle Bürgerinnen und Bürger betrifft, trifft spezifische Berufsgruppen besonders. Nämlich alle, deren Leistung auf garantiertem Vertrauen basieren: zwischen Patienten und Ärzten, zwischen Klienten und Anwälten, zwischen Gläubigen und Pfarrern, zwischen Informanten und Journalisten, zwischen Bürgerinnen sowie Bürgern und Abgeordneten.
Auch dieses grundgesetzlich gebotene Vertrauen wird entsorgt.

4. 

Die Vorratsdatenspeicherung hat also weitreichende Folgen. Sie greift in verbriefte Grundrechte ein und sie verstößt gegen den Datenschutz. Sie tangiert das Post- und Briefgeheimnis. Sie attackiert die Pressefreiheit. Genau dagegen wächst langsam Protest. Inzwischen haben sich über 7.000 Bürgerinnen und Bürger bereit erklärt, gemeinsam gegen ein solches Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Ich auch.

5. 

Für die Datenspeicherung wird angeführt, sie sei im Kampf gegen den Terrorismus unverzichtbar. Wenig glaubwürdig! Nichts belegt, warum die Speicherung der Verbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürger dafür unverzichtbar und obendrein erfolgreich sei. Und es wird unterstellt, dass gewiefte Terroristen zu blöd seien, der staatlichen „Falle“ auszuweichen. Man schießt also mit der Schrotbüchse und trifft garantiert die Falschen.

6. 

Personalausweise werden mit einem elektronischen Lichtbild versehen und sollen künftig auch noch zwei Fingerabdrücke des Inhabers ausweisen. Das sei fälschungssicherer, wird argumentiert. DIE LINKE hat die Bundesregierung gefragt, wie viele herkömmliche Deutsche Personalausweise zwischen 2000 und 2007 nach ihrem Wissen gefälscht wurden. Antwort des Bundes-Kriminalamtes: Sechs Ausweise.

7. 

Es muss also andere Gründe geben, als die Fälschungssicherheit der Personalausweise, warum alle Bürgerinnen und Bürger ein fahndungstaugliches Lichtbild und künftig obendrein zwei Fingerabdrücke hinterlegen müssen. Dieselbe Frage schwebt über dem Mautsystem. Es hätte einfachere Lösungen gegeben. Aber die von TollCollect ermöglicht eine Total-Kontrolle über alle Autobahnen.

8. 

Im Hauptbahnhof Mainz wurde jüngst ein Großversuch beendet. Es ging um intelligente Video-Kameras, die in einem Pulk einzelne Personen erkennen sollen. Der BKA-Chef gab sich enttäuscht. Der Test sei bisher nur zu 60 Prozent positiv verlaufen. Frage: Wie kann eine intelligente Kamera gesuchte Personen finden? Nur wenn sie dafür eine lesbare Vorlage hat, zum Beispiel ein gespeichertes elektronisches Pass-Foto.
Alle müssen es liefern und die Technik verharrt nicht bei 60 Prozent.

9. 

Justizministerin Zypries (SPD) wiegelt derweil klassisch ab: Mit der Vorrats-Datenspeicherung setzte man lediglich eine EU-Vorgabe um, noch dazu auf niedrigstem Niveau. Wer's glaubt, wird mitnichten selig, aber mit Sicherheit verdummt. Zumal der permanente Verweis auf die Weisungen der EU zu den neuen deutschen Polit-Märchen gehört. Das zeigt gerade das Beispiel Vorratsdatenspeicherung.

10. 

Nach den Terrorangriffen vom 11. 9. 2001 hatte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily im Bundestag eine solche Vorrats-Datenspeicherung gefordert. Erfolglos. Dann zog er gen Brüssel, um einen EU-Beschluss zu bewirken. Mit Erfolg. Die EU-Richtlinie schlägt inzwischen auf die EU-Länder zurück, angeblich als bindendes Recht. So jedenfalls argumentiert die Bundesregierung - zu Unrecht.

11. 

Zwei EU-Staaten haben vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Richtlinie geklagt und sie haben dabei durchaus Aussicht auf Erfolg. Gut denkbar: Das vermeintliche EU-Recht wird gekippt, aber die Deutsche Regierung hat es inzwischen als nationales Recht beschlossen. Nur peinlich? Nein! Denn ohnehin gilt: EU-Recht kann das Grundgesetz nicht brechen. Die Vorratsdatenspeicherung aber verstößt genau dagegen.

12. 

Kurzum: Fügt man alle „Antiterror-Maßnahmen“ zum Puzzle, wird deutlich: Der demokratische Rechtsstaat wird zum präventiven Sicherheitsstaat umgebaut, andere sprechen vom Überwachungsstaat. Die schwersten Attacken gegen das Grundgesetz kommen übrigens nicht von Extremisten, auch nicht von Terroristen, sondern ausgerechnet von Spezialisten für Innenpolitik, die auf das Grundgesetz vereidigt wurden.
 

 

 

7.11.2007
www.petra-pau.de

 

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