Aktuelle Notiz: General Grimm und Major Münchhausen
von Petra Pau
Berlin, 6. Juli 2007
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Zwei Fälle beschäftigten diese Woche den Bundestag und beide haben mit der Bundeswehr zu tun. Der erste betrifft den Einsatz der Bundeswehr rund um den G8-Gipfel, also im Inneren. Der zweite dreht sich um plötzlich verschwundene Geheimdaten über Auslandseinsätze der Bundeswehr zwischen 1999 und 2003, also vom Balkan bis nach Afghanistan, als die Grünen mit der SPD regierten. Alles höchst brisant.
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Darf die Bundeswehr überhaupt im Inneren eingesetzt werden? Ja, in ganz besonderen Fällen und die sind in Artikel 35 Grundgesetz akkurat beschrieben. Demnach kann die Bundeswehr bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall angefordert werden. Da die Bundeswehr rund um den G8-Gipfel eingesetzt wurde, war dieser offenbar eine Naturkatastrophe oder ein besonders schweres Unglück.
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3. |
Der Gipfel wurde von langer Hand vorbereitet. Ebenso lange belog die Bundesregierung den Bundestag. Alle parlamentarischen Anfragen im Vorfeld des G8-Gipfels, insbesondere die nach einem möglichen Einsatz der Bundswehr, wurden abgewiegelt oder falsch beantwortet. Wenn überhaupt, so der Tenor, ginge es bestenfalls um zusätzliche Sanitäts- oder Versorgungsdienste. Das klang harmlos und hilfreich.
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Inzwischen ist belegt: Die Bundeswehr hatte Spähpanzer rund um Heiligendamm im Einsatz. Feldjäger waren als Polizisten getarnt unterwegs. Tornados überwachten das Geschehen und rasten auch Mal im Sturzflug auf ein Camp mit G8-Kritikern zu. Insgesamt ist inzwischen von 2.000 Soldaten die Rede, die bei der Unglücks-Katastrophe G8 eingesetzt wurden. Klar grundgesetzwidrig, sagen Verfassungsrechtler.
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Besonders aufschlussreich ist das Tornado-Märchen. Teil 1: Vor Wochen schickte der Bundestag Tornados nach Afghanistan. Begründung: Sie seien einzigartig und daher unverzichtbar. Einzigartig, weil sie aus höchster Höhe, praktisch unerreichbar für Terroristen, präzise Bilder vom Geschehen ganz Unten, also vom Erdboden, liefern könnten, quasi eine deutsche Wunderwaffe im Kampf gegen die Taliban.
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Teil 2: Ein derart begnadeter Jäger flog in rund 100 Meter Höhe über ein Camp von G8-Kritikern. Frage im Innenausschuss: Warum? Antwort der Bundeswehr: Das Wetter war schlecht, deshalb musste man tief fliegen. Frage: Welche Personen wurden aufgenommen und an wen wurden die Bilder weiter geleitet? Antwort: Die Auflösung der Aufnahmen ist so schlecht, dass man zwar Straßen, nicht aber Personen erkennen könne.
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Ähnlich erhellend waren die Märchen der Bundesregierung zu den entfleuchten Geheimdaten über Auslandseinsätze der Bundeswehr. Das interne Netzwerk, indem die Daten gespeichert wurden, sei plötzlich überfordert gewesen, hieß es. Außerdem habe ein Roboter, der für die Sicherung der Daten zuständig war, dieselben bis zur Unlesbarkeit ramponiert. General Grimm und Major Münchhausen lassen grüßen.
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Später seien die kaputten Datenträger der Bundeswehr final entsorgt worden, ließ die Regierung im Verteidigungsausschuss des Bundestages erklären. Später war demnach der 4. Juli 2005. Hoppla: Vier Tage zuvor, also am 1. Juli 2005, hatte Bundeskanzler Schröder im Bundestag vorgezogene Neuwahlen mit ungewissem Ausgang durchgesetzt. Weiter gehende Phantasien überlasse ich gerne Verschwörungs-Theoretikern.
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