Aktuelle Notiz: Vergleiche, die keiner mag
von Petra Pau
Berlin, 21. Mai 2007
Im Dezember 1981 besuchte Bundeskanzler Helmut Schmidt (BRD) den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker (DDR). Staatsbesuch in der Schorfheide und in der Barlach-Stadt Güstrow. Danach entlud sich Empörung in der westlichen Blätterwelt. Inszenierung hieß die seichte Beschreibung, Polizeistaat die grobe. Beide waren zutreffend.
Tausende Polizisten und Geheimdienstler hatten Güstrow samt Weihnachts-Markt, Schulter an Schulter stehend, abgeriegelt. Niemand kam herein und niemand heraus, nicht mal aus der eigenen Wohnung. Die Staatsmänner aus Ost und West sollten ungestört und ohne Zwischenfälle parlieren können. Misstöne und missliche Bilder waren mit Sicherheit zu verhindern. Ausnahmezustand.
Im Vorfeld wurde ein großer Operativ-Stab gebildet. Er sollte alle Maßnahmen koordinieren. Potentielle Störer wurden mit Razzien bedacht. Etliche verschwanden, wurden unter Hausarrest gestellt oder vorbeugend in Gewahrsam genommen. Das ganze Programm. Die politische Größe des Augenblicks sollte durch nichts und niemanden gestört werden.
Vom DDR-Stab wurde ein TV-Beitrag freigegeben. In ihm wurde gezeigt, wie Helmut Schmidt, der Kanzler-West, von Erich Honecker, dem SED-Chef-Ost, verabschiedet wurde. Schmidt im Zug und Honecker auf dem Bahnsteig. Erich reichte Helmut ein Bonbon. Helmut nahm das Bonbon von Erich mit Dank. Ein Bild der Entspannung, wie gewünscht. Propaganda beiderseits.
Die Berliner Morgenpost und andere Medien hatten vor einem halben Jahr ausführlich an diese Geschichte erinnert. Sie liegt 25 Jahre zurück, ein rundes Jubiläum, ein trefflicher Anlass. Nun beobachte ich, wie dieselben Medien über den G8-Gipfel in Heiligen-Damm berichten, über Inszenierungen, über Operativ-Stäbe, über Maßnahmen, über Razzien, über das ganze Programm.
Ich weiß: Diese Vergleiche mag niemand, jedenfalls niemand, der die offizielle Bundespolitik gut heißt, von Amts wegen oder gutgläubig. Aber der Vergleich drängt sich auf. Im Zweifelsfall purzeln die Menschenrechte. Sie werden gestürzt, mit Sicherheit. Immer werden höhere Staats-Interessen als Kronzeugen angerufen. Aber Kronzeugen sind schlechte Zeugen, allemal für Bürgerrechte.
Zumal: Der G8-Gipfel ist kein Mönchs-Gesang im Liebfrauen-Kloster. Die vermeintlich acht größten kapitalistischen Staaten verhandeln über sich und den Rest der Welt. Das ist keine demokratische Veranstaltung, schon gar keine zukunftsfähige. Dagegen gibt es Proteste. Zu Recht. Die Bundesregierung wiegelt und riegelt sie ab. So, wie seinerzeit in Güstrow geschehen.
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