Der Bundestag muss den Rechtsextremismus endlich ernster nehmen

Bundestag, 11. Mai 2007,„Rechtsextremismus“
Rede von Petra Pau

1. 

Eine Zahl vornweg: Im statistischen Schnitt werden bundesweit Tag für Tag drei Gewalttaten registriert, die rechtsextremistisch, rassistisch oder antisemitisch motiviert sind. Das sind die offiziellen Zahlen, die tatsächlichen liegen weit höher und damit auch die Zahl der Opfer. Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind also längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben.
Eine zweite Zahl dazu: Allein von 2004 bis 2006, also binnen zwei Jahren, haben die registrierten Straf- und Gewalttaten mit rechtextremistischen Hintergrund um 50 Prozent zugenommen. Diese Entwicklung ist alarmierend. Deshalb müssen auch wir, der Bundestag und alle Fraktionen, uns fragen, ob wir bislang adäquat auf diese Entwicklung reagiert haben. Ich finde: Nein. Wir sollten es aber endlich tun, parteiübergreifend.

2. 

Aber nicht nur die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Wir haben es auch mit einer neuen Qualität zu tun. Rechtsextremismus ist heute längst nicht mehr auf schlagende Stiefelknechte zu reduzieren, wie vielleicht noch vor zehn Jahren. Von der Strategie, über die Programmatik bis zum Personal suchen Rechtsextremisten Widerhall inmitten der Gesellschaft. Mit Erfolg. Auch hiermit hat sich der Bundestag bisher nicht adäquat beschäftigt.
Meine erste These: Nur wenn die Analyse stimmt, gibt es auch Aussicht auf Erfolg. Stimmen unsere Analysen? Ich sage Nein. Das beginnt schon bei den Zahlen und Fakten. Deshalb sage ich erneut für die Fraktion DIE LINKE: Wir brauchen endlich eine unabhängige Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nach EU-Vorbild. Sie war eigentlich schon mal beschlossen, aber es gibt sie noch immer nicht.

3. 

Meine zweite These: So lange der Rechtsextremismus vorwiegend als Rand-, Jugend- oder Ost-Phänomen behandelt wird, werden wir ihn nicht zurückdrängen können. Dasselbe gilt übrigens, so lange der Rechtsextremismus vorwiegend als innen- oder rechtspolitisches Problem bearbeitet wird. Deshalb: Wir brauchen endlich eine ressortübergreifende Strategie, die sich auf Kompetenz stützt und die Zivilgesellschaft stärkt.
Aber genau da haben wir das nächste Problem. Wir erleben gerade eine Umstrukturierung der Initiativen, die sich für Demokratie und Toleranz engagieren. Und die Gefahr ist nicht gebannt, dass dabei Bewährtes gegen Verfehltes ausgetauscht wird. Oder, wie aus Sachsen zu lesen ist, dass Bundesmittel gegen Rechtsextremismus sogar bei rechtsextremistischen Gruppierungen landen. Das wäre natürlich ein Ding aus dem Tollhaus.

4. 

Meine dritte These: Wer die NPD verbieten will, der ist zum Erfolg verpflichtet. Und deshalb halte ich es ausnahmsweise einmal mit meinem Kollegen Bosbach von der CDU. Er hatte an die Adresse der SPD gemeint: Eins gehe überhaupt nicht, nämlich monatelang über ein NPD-Verbot reden, aber nichts dafür zu tun. Denn das werte die NPD nur zusätzlich auf. Ich füge hinzu: Genau das sollte wir tunlichst lassen.
In der Frage, ob ein NPD-Verbot sinnvoll ist oder nicht, darüber gibt es übrigens auch in der LINKEN unterschiedliche Auffassungen. Aber in einem sind wir uns einig: Wer die verfassungsfeindliche NPD ernsthaft und rechtsstaatlich verbieten will, muss zuerst das Verbotshindernis vom gescheiterten Versuch beseitigen. Und das heißt nun mal: die V-Leute in der NPD abschalten. Denn sie nützen nichts, aber sie schaden sehr viel.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

11.5.2007
www.petra-pau.de

 

Übersicht
Bundestag

 

Reden im
Bundestag

 

Lesbares

 

Seitenanfang

 

Startseite