Zwischen Neujahrs-Ansprache und Demokratie-Blockade

Bundestag, 8. März 2007, Informationsfreiheitsgesetz,
Rede von Petra Pau

1. 

„Überraschen wir uns damit, was möglich ist!“ Das war der Leitsatz von Bundeskanzlerin Merkel bei ihrer Neujahrs-Ansprache vor wenigen Wochen. Ich würde mich gerne von den Unionsparteien und der SPD überraschen lassen. Aber eher geht wohl ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass die große Koalition für mehr Demokratie und Bürgerrechte stimmt.

2. 

Genau darum aber geht es. Das Informationsfreiheitsgesetz soll entfesselt und die Rechte der Bürgerinnen und Bürgern gestärkt werden. Darauf zielen die aktuellen Anträge der FDP und der Grünen und genau das will auch die Fraktion DIE LINKE. Wir wollen, dass ein Gesetz bewirkt, was es vorgibt, nämlich Informationsfreiheit, statt Geheimniskrämerei.

3. 

Das Informationsfreiheitsgesetz sollte jeder Bürgerin und jedem Bürger zu umfangreichen Einsichten verhelfen. Sie sollen Auskünfte erhalten, Akten einsehen, Planungen nachvollziehen können - möglichst ausnahmslos, möglichst umgehend und möglichst bürokratiefrei. Das war der Sinn, als der Bundestag vor zwei Jahren endlich so ein Gesetz schuf.

4. 

Aber die Schöpfer hatten das Informationsfreiheitsgesetz zugleich mit Mühlsteinen behängt. Einer bewirkt: Wer Auskunft begehrt, soll dafür zahlen, zuweilen bis zu 500 Euro je Information. Das ist mehr als manch einer überhaupt hat. Und so gilt auch hier: Wer arm dran ist, der wird auch noch seiner Bürgerrechte beraubt. Auch dagegen ist DIE LINKE.

5. 

Inzwischen gibt es praktische Erfahrungen mit dem Gesetz, mehr schlechte als gute. Das Auswärtige Amt zum Beispiel begehrte für eine Auskunft in Form von vier Fotokopien 100 Euro. Das ist keine Information für freie Bürger, das ist Wucher von Staats wegen. Und genau das ließe sich ausschließen, wenn es denn heute alle wollten.

6. 

Die Oppositionsparteien - FDP, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen - sind sich einig wie selten: Wir wollen Informationsfreiheit. Aber schon in den parlamentarischen Ausschüssen hatte sich gezeigt: CDU, CSU und die SPD wehren sich standhaft und zynisch dagegen. Denn im Protokoll ist unter dem Stichwort „Lösung“ verzeichnet: Ablehnung der Anträge.

7. 

Nun wollte ich mich überraschen lassen, ob wenigsten die Abgeordnete Dr. Merkel, die Neujahrsansprache der Kanzlerin Dr. Merkel verstanden hat. Sie hätte heute die Chance gehabt, sich von den rückwärtigen Diensten der großen Koalition zu emanzipieren und mit der Opposition für Informations-Freiheit zu stimmen. Aber leider ist sie ja in Brüssel.

8. 

Ich halte es dennoch mit Faust: „Der Worte sind genug gewechselt. Lasst mich endlich Taten sehen!“ Ich befürchte nur, der anderen Faust wird wieder Recht behalten: „Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Und so geht es inzwischen vielen, wenn sie Sylvester wohlfeile Neujahrsreden hören. Auch das schafft nur eines: Demokratie-Verdruss.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

8.3.2007
www.petra-pau.de

 

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