Aktuelle Notiz: Untersuchungs-Ausschuss II
Geheimniskrämerei als Regierungs-Methode

von Petra Pau
Berlin, 14. Dezember 2006

1. 

Geheim ist das Gegenteil von Aufklärung. Das trifft auch für den so genannten BND-Untersuchungs-Ausschuss des Bundestages zu. Er untersucht vor allem in nichtöffentlichen oder Geheimsitzungen. Und die vorliegenden Unterlagen und Akten wurden überwiegend als „geheim“ eingestuft. Was bedeutet: Wir dürfen öffentlich nicht darüber reden.

2. 

Diese Geheimniskrämerei wird bis ins Absurde getrieben. Anfangs wurde eine Bundestagsrede von Innenminister Schäuble nachträglich als „geheim“ eingestuft. Diese Woche bekam eine Notiz den Stempel „geheim“, der vorher nicht eingestuft war, so der Fachbegriff, und vordem schon ausführlich in einem Nachrichtenmagazin gewürdigt wurde.

3. 

Die drei Oppositionsparteien haben ernstzunehmende Hinweise, dass so manche Aussagen von Zeugen aus den deutschen Geheimdiensten und aus den Ministerien - vorsichtig ausgedrückt - höchst fragwürdig sind. Aber wir dürfen das nicht öffentlich belegen, denn die Befragungen erfolgten geheim und Belege für die Widersprüche sind es auch.

4. 

Zur Erinnerung: Die CIA hat geheime Flüge durchgeführt, Menschen entführt, in geheime Lager interniert, entrechtet, entwürdigt. Nach Lage der Dinge auch auf EU-Territorium. Die logischen Fragen lauten also: Wer, in Deutschland, wusste etwas davon? Wer hat was dagegen unternommen? Und wenn nicht, wer wäre dafür politisch verantwortlich?

5. 

Über kurz oder lang richten sich diese Fragen natürlich auch ans Bundeskanzleramt. Wie heute, da Joseph Fischer, seinerzeit Außenminister, und Frank-Walter Steinmeier, seinerzeit Kanzleramtschef und mithin zuständig für die Koordinierung der Sicherheits- und Geheimdienste, im Untersuchungsausschuss auftraten.

6. 

Beim Kanzleramt aber wird es besonders geheim. Was dort beraten, analysiert oder beschlossen wird, gilt als „Kernbereich“ des Regierungshandelns. Und dieser „Kernbereich“ entzieht sich jeglicher Transparenz. Ein gutes Dutzend Regierungsbeamte wachen in jeder Ausschuss-Sitzung darüber, dass ja kein Lapsus passiert.

7. 

Genauer gesagt: Der so genannte Kernbereich wird der parlamentarischen Untersuchung entzogen. Denn allein die Regierung entscheidet darüber, ob sie dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss etwas mitteilt oder nicht. Sie tut es natürlich nicht. Und sie wird dabei von den Regierungs-Parlamentariern ausdrücklich bekräftigt.

8. 

Das führte heute zu der absurden Situation, dass Frank-Walter Steinmüller ausgiebig seine Sicht darstellen konnte, seine Sorge und seinen Fleiß. Aber es gab kein Blatt Papier, mit dem das irgendwie belegbar war oder das als Grundlage für kritische Nachfragen taugt. Alles top secret! Ist die Bundesregierung also selbst ein unkontrollierbarer Geheimdienst?

9. 

Vorstellbar ist, dass sich die Bundesregierung beim internationalen Pokerspiel nicht in jede Karte gucken lässt. Denkbar auch, dass die Bundesregierung Quellenschutz beansprucht, wenn es um aktuelle Informationen geht. Aber im Untersuchungsausschuss geht es um „Regierungshandeln“, das längst Vergangenheit ist.

10. 

Trotzdem wird die Bundesregierung, ihr Tun und Lassen, hermetisch abgeschirmt. Zugleich werden immer mehr Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt: Migranten als potentielle Terroristen und Arbeitslose als hinterlistige Sozialschmarotzer. Sie werden durchleuchtet, ihre Daten werden abgeglichen, sie werden „gläserne Bürger“.

11. 

Das ist der größere Zusammenhang, der das restriktive Agieren der Union und der SPD im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zusätzlich unappetitlich macht. Und auch deshalb wollen DIE LINKE und die FDP gegen diese arrogante Geheimniskrämerei der großen Koalition und der Regierung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klagen.

12. 

Bleibt die Frage, warum ich mich überhaupt an einem so aufwendigen Versteckspiel beteilige? Erstens, weil es um Bürger- und Menschenrechte geht. Zweitens, weil ansonsten die Geheimniskrämer unwidersprochen unter sich blieben. Und drittens: Weil ich halt mehr weiß, als ich derzeit sagen darf. Das Wissen ist wichtig, der Maulkorb muss weg.
 

 

 

14.12.2006
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

Übersicht

 

Reden&Erklärungen

 

Lesbares

 

Startseite