Aktuelle Notiz: Aktuelle Notiz: „Schäuble I“

von Petra Pau
Berlin, 14. Juli 2006

1. 

Noch gibt es „Schäuble I“ nicht. Noch ist die Bezeichnung nur eine Anspielung auf „Otto I“ und „Otto II“. Das waren die zwei Gesetzes-Pakete, die nach den Terroranschlägen am 11. 09. 2001 in den USA im Bundestag beschlossen wurden. Federführend war Bundesinnenminister Otto Schily. Daher kommt die allgemeine Bezeichnung „Otto I“ usw.

2. 

Mit den Otto-Paketen wurden namens einer vermeintlichen Sicherheit verbriefte Bürgerrechte beschnitten. Polizei und Geheimdienste bekamen umfangreiche Befugnisse, in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger einzubrechen. Der Datenschutz wurde großflächig ausgesetzt. Das große Lauschen wurde angeordnet und das Ausländerrecht verschärft.

3. 

Das alles geschah mit den Stimmen der SPD und der einstigen Bürgerrechtspartei Bündnis90/Die Grünen. Ihr heimlicher Parteivorsitzender, Joseph Fischer, spielte mit Otto Schily sogar über die EU-Bande. Über diesen Umweg inszenierten sie, dass Flugpassagiere mehr als 30 persönliche Daten „abgeben“ müssen, wenn sie in oder über die USA fliegen wollen.

4. 

Zur selben Zeit wurde in der Bundesrepublik Deutschland ein Maut-System für Autobahnen installiert. Angeblich, um von Lkw-Unternehmen Gebühren zu kassieren. Schirmherr: Manfred Stolpe (SPD). Tatsächlich aber gibt es seither die technischen Voraussetzungen, um alle Nutzer der Autobahn zu überwachen. Einige Bundesländer haben das bereits getestet.

5. 

Außerdem wurden Kommunikations-Anbieter verpflichtet, Daten ihrer Kunden zu speichern und sie der Polizei sowie anderen Ermittlungs-Behörden Preis zu geben. Davon betroffen sind alle, die im Internet surfen, e-mails austauschen oder per Handy telefonieren. Lange galt das alte Postgeheimnis offiziell als geschütztes Heiligtum. Das war damals.

6. 

Also Bürgerrecht ade? Etliche Begehrlichkeiten der Sicherheitsfanatiker wurden vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Auch im EU-Parlament und im Europäischen Gerichtshof regte sich Widerstand gegen die nahezu hemmungslose Aufkündigung von Bürgerrechten. Immerhin. Ich schätze diese Urteile nicht gering. Ich klage im Bundestag ihre Umsetzung ein.

7. 

Gerhard Baum (FDP), dereinst Bundesinnenminister, resümierte dieser Tage sinngemäß: Die größte Gefahr für die Verfassung und für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gehe längst vom Staat aus. Er bedauerte in seinem Interview aber noch einen zweiten Befund: Es gibt kaum noch Bürgerinnen und Bürger, die für ihre Rechte mutig streiten.

8. 

Den letzten Bürgerrechtler aus DDR-Zeiten haben die Bündnisgrünen von der offiziellen politischen Bühne entsorgt. Er wollte dem Neuwahl-Machtwort des Kanzlers nicht folgen. Das war Werner Schulz. Er erhielt für seine widerständige Rede im Bundestag immerhin noch einen Rhetorik-Preis. Verdientermaßen, finde ich. Aber das war es dann auch.

9. 

Der Vorzeige-Bürgerrechtler der Bündnisgrünen, Christian Ströbele, wiederum übt Witze. Als das Bundesverfassungsgericht das „Luftfahrt-Sicherheitsgesetz“ stoppte, erklärte CS im Bundestag: Er sei froh über das Urteil. Aber ohne dieses Gesetz hätte es kein Urteil gegen das Gesetz geben können. Deshalb habe er dem rechtswidrigen Gesetz zugestimmt.

10. 

Das Luftfahrt-Sicherheitsgesetz enthält viel, zu viel, um es hier ausbreiten zu können. Zum Beispiel, wer alles durch Geheimdienste zu überprüfen ist, damit er oder sie im Umfeld des Flugwesens arbeiten darf. Der Praxistest wurde inzwischen rund um die Fußball-WM-2006 vollzogen. Geschätzt eine Millionen Leute wurden so durchleuchtet.

11. 

Das Luftsicherheitsgesetz barg aber noch zwei andere, zentrale Fragen, die das Bundesverfassungsgericht verwarf: Darf man unschuldige Passagiere, wenn sie von Terroristen gekidnappt werden, von Staats wegen abschießen, also töten? Und: Darf die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden, wie es Unionspolitiker seit langem fordern?

12. 

Heute besuchte USA-Präsident Bush die Bundeskanzlerin Merkel in Stralsund. Tausend überprüfte Jubler durften mitspielen. Der „Rest“ und Protest waren unerwünscht. Das Grundgesetz galt nicht. Aber die Bundeswehr war dabei, im Innern also. Aber „nicht im Einsatz“, wurde dementiert. Es sei nur eine Übung gewesen. „Schäuble I“ lässt grüßen.
 

 

 

14.7.2006
www.petra-pau.de

 

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