Staat des Misstrauens oder Republik der Bürgerrechte

Bundestag, 30. Juni 2006, Antrag FDP, Piloten-Überprüfung
Rede von Petra Pau

(zu Protokoll gegeben)

1. 

Die FDP beantragt, die umfassenden Sicherheitsüberprüfungen für Privatpiloten von Kleinflugzeugen auf ein Normalmaß zurückzuführen und zugleich rechtliche Unklarheiten auszuräumen. Das scheint, wie die FAZ titelte, ein „Nebenkrieg um die Lufthoheit“ zu sein. Also nichts von Belang. Aber der erste Blick täuscht. Es geht ums Grundsätzliche.

2. 

Die Sicherheitsprüfungen für Piloten von Kleinflugzeugen wurden mit dem Luftsicherheitsgesetz im Januar 2005 verfügt. Und wie viele andere so genannten Anti-Terror-Gesetze, wurde auch das Luftsicherheitsgesetz vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig kassiert. Jedenfalls sein Herzstück, das den Einsatz der Bundeswehr im Innern vorsah.

3. 

Darüber hatten wir hier im Plenum schon mal kontrovers debattiert. Christian Ströbele hatte damals argumentiert, er habe das Gesetz immer für falsch gehalten und er begrüße das vernichtende Urteil. Aber ohne Gesetz hätte es auch kein Urteil dagegen geben können. Deshalb habe er seinerzeit für das Gesetz gestimmt. So schwarz kann grüner Humor sein.

4. 

Spannend und bemerkenswert ist etwas anderes. Das Karlsruher Bundesverfassungsgericht hatte kaum geurteilt, da setzte die Gerichtsschelte aus der Union ein. Doch damit nicht genug. Inzwischen verkündete Bundesverteidigungsminister Jung, im Ernstfall sei ihm das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes egal, also das Grundgesetz.

5. 

Und nun vergleichen sie bitte: Landauf, landab wird darüber debattiert, welchen Prüfungen Migranten auszusetzen seien, um ihre Verfassungstreue zu testen. Aber ein Bundesminister, der auf das Grundgesetz einen Eid geleistet hat, darf ungerügt sagen, das Grundgesetz interessiere ihn nicht. Das ist ein Ding aus dem deutschen Tollhaus.

6. 

Leider ist das kein Einzelfall. Ex-Innenminister Gerhard Baum resümierte unlängst: „Die Erosion der Grundrechte schreitet rapide fort. Die Staatsorgane haben sich angewöhnt, Grundrechte nicht mehr zu achten.“ Und er hat Recht: Seit Jahren finden massive Angriffe auf die Verfassung hier im Bundestag Mehrheiten. Mit Patriotismus hat das nichts zu tun.

7. 

Hinzu kommt: Nahezu alle Sicherheitsgesetze der letzten Jahre durchzieht eine fatale Philosophie: Sie bringen nicht mehr Sicherheit, aber sie opfern Bürgerrechte. Die ersten „Otto-Pakete“ wurden mit den Stimmen der SPD sowie der Grünen und außerdem mit dem Versprechen beschlossen, sie würden binnen drei Jahren überprüft. Darauf warte ich noch heute.

8. 

Heute geht es um eine solche Überprüfung. Nämlich, ob Privat-Flieger von Kleinflugzeugen so umfangreich und so häufig auf ihre Loyalität zum Grundgesetz überprüft werden müssen, wie es im Luftsicherheitsgesetz festgelegt wurde. Ich sage Ihnen: Nein, diese übertriebenen Prüfungen sind Unsinn und sachlich nicht begründbar. Sie sind sogar gefährlich.

9. 

Denn Sie verraten mehr über die strategischen Absichten der Bundesregierungen, als über die verdächtigten Piloten. Alle Fachleute sind sich einig: Die umstrittenen Klein-Flugzeuge sind für terroristische Anschläge weitgehend untauglich. Sie sind zu leicht, zu langsam, zu wenig belastbar, um große Schäden anzurichten. Also Null-Nummern.

10. 

Zugleich sei jeder Pkw für Anschläge besser geeignet. In der Logik der Sicherheits-Fanatiker müssten demnach alle Auto-Fahrer von Geheimdiensten permanent überprüft werden. Und mit den aktivierbaren Maut-Brücken auf Autobahnen sind solche Überwachungen ja auch längst vorinstalliert. Das ist der offizielle Trend und den lehnt DIE LINKE ab.

11. 

Ich wünschte mir dagegen, dass auch der ADAC endlich aufwacht und bürgerrechtlich mobil wird. Denn sein alter Slogan „freie Fahrt für freie Bürger“ bekommt längst einen neuen Klang. Nicht die freie Fahrt, der freie Bürger ist in Gefahr. Und um noch mal den agilen Liberalen Gerhart Baum zu zitieren: „Wir sind auf dem Weg in einen Überwachungsstaat.“

12. 

Das ist mein Hintergrund für den scheinbar belangslosen Antrag. Es geht nicht um ein paar Privat-Piloten. Es geht um das Grundgesetz und um die Frage, was für ein Deutschland wir künftig wollen: einen Staat voller Misstrauen oder eine Republik der Bürgerrechte. Ich weiß, wohin das erste führt. Deshalb stimmt Die LINKE für soziale und für Bürgerrechte.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

30.6.2006
www.petra-pau.de

 

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