Aktuelle Notiz: Untersuchungs-Ausschuss
Es geht um Bürger- und Menschenrechte

von Petra Pau
Berlin, 10. März 2006

1. 

Am Anfang stand ein Bericht des Polit-Magazins "Panorama". Demnach sollen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) kriegsrelevante Informationen aus Bagdad an die USA übermittelt haben. Der Autor des Beitrages berief sich auf amerikanische Quellen, die nicht näher konkretisiert wurden. Gleichwohl: Ein Verdacht war gesetzt.

2. 

Die Medien erwachten. Und schon vordem gab es weitere Meldungen: Über verschleppte Deutsche, die von den USA verdächtigt und von der CIA entführt wurden, über Gefangene, die im Ausland gefoltert und vom BND verhört wurden, über geheime Lager in Europa, die von der CIA betrieben werden, und über noch mehr Informationsflüsse des BND an die Krieg führende USA.

3. 

Zuerst schwieg die Bundesregierung, dann suchte sie die Offensive. Das war am 14. 12. 2005. Bundesinnenminister Schäuble (CDU) räumte im Bundestag ein, dass ein deutscher Staatsbürger von der CIA entführt und dass sein Vorgänger, Otto Schily (SPD), darüber nachträglich und vertraulich vom Botschafter der USA unterrichtet worden sei.

4. 

Die Bundesregierung sagte eine umfängliche Aufklärung zu allen bis dato erhobenen Vorwürfen zu - im dafür zuständigen Ausschuss, der PKG. Dieses Bundestags-Gremium soll die Arbeit der deutschen Geheimdienste kontrollieren. Die Mitglieder der PKG sind zu strengster Geheimhaltung verpflichtet. Sie erhielten einen 300-seitigen Bericht der Bundesregierung.

5. 

Am 22. Februar 2006 schmiss mein Kollege Wolfgang Neskovic (DIE LINKE) den Fehdehandschuh ins Rund. Er verließ das Parlamentarische Kontroll-Gremium. Er wollte kein nichts sagendes Feigenblatt für einen Abschlussbericht der PKG sein, der wenig aufklärt, aber viel rein wäscht. Von den rund 300 Seiten Regierungsbericht wurden 80 veröffentlicht.

6. 

Parallel zu den „Aktivitäten“ der Bundesregierung und des Bundestages rumorte es im EU-Parlament. Insbesondere die Hinweise auf geheime CIA-Lager in Europa und ebenso geheime Gefangenen-Flüge der CIA, auch von deutschen Airports, sorgten für Aufregung. Ein Sonder-Ermittler wurde eingesetzt und ein parlamentarischer Ausschuss.

7. 

Derweil hatten deutsche Kommentatoren einen weiteren Kampfplatz eröffnet. Die US-Hinweise auf eine mögliche BND-Teilhabe am Irak-Krieg sei lediglich eine unglaubwürdige Retour-Kutsche auf das deutsche Nein zur Beteiligung am Irak-Krieg. Bundeskanzler Schröder und die rot-grüne Koalition sollten damit nachträglich diffamiert werden.

8. 

Das rot-grüne Nein zum Krieg der USA gegen den Irak war nie konsequent. Die Bundesrepublik Deutschland hat der US- Army jederzeit logistisch den Rücken gestärkt. Sie war damit - wie das Bundesverwaltungsgericht 2005 urteilte - Teilnehmer an einem völkerrechtswidrigen Krieg und damit mitschuldig.

9. 

Dieser Vorwurf trifft Rot-Grün, insbesondere das Selbst-Image der Grünen. Wohl deshalb hat sich die Spitze von Bündnis 90/Die Grünen sehr lange gegen einen parlamentarischen Ausschuss im Bundestag gesperrt. Buchstäblich bis zur letzten Minute gab es sichtbar heftige Gespräche zwischen Joseph Fischer, Renate Künast und Volker Beck.

10. 

Heute haben wir uns - FDP, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen - dennoch auf einen Aufklärungs-Auftrag und 59 Fragen für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geeinigt. Am Dienstag müssen die drei Fraktionen zustimmen. Dann ist der Weg frei für weiter gehende Klärungen als im PKG und vielleicht auch zu etwas mehr Licht.

11. 

Doch Vorsicht: Den Vorsitz im Ausschuss beantragt die CDU/CSU. Und die SPD verkündet ungefragt: Der Untersuchungsausschuss sei so überflüssig, wie alles, was die Opposition sagt und tut. Das war zu erwarten und das gehört zum lang geübten Verwirr-Spiel zwischen Regierung und Parlament, zwischen Koalition und Opposition.

12. 

Gefährlicher ist eine andere Kampagne: Demnach gefährden wir mit unserer Forderung nach Aufklärung die Zusammenarbeit der Geheimdienste, wir zögen Terroristen an, wir seien ein Sicherheits-Risiko für Deutschland. Diese Botschaften erhalte ich per e-mail, ich höre sie aus Regierungs-Kreisen und ich lese sie in Zeitungen.

13. 

Auch deshalb wehre ich mich gegen den Begriff "BND-Ausschuss". Ginge es um nur Geheimdienste, dann hätten wir uns wahrscheinlich nie mit der FDP einigen können. Aber darum geht es eben nicht. Die entscheidende Frage lautet: Wie können wir Bürger- und Menschenrechte verteidigen, anstatt sie einer vermeintlichen Sicherheit zu opfern?
 

 

 

10.3.2006
www.petra-pau.de

 

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