Aktuelle Notiz: CIA-Flüge und „BND“-Ausschuss

von Petra Pau
Berlin, 24. Januar 2006

1. 

Das TV-Magazin „Panorama“ hatte den Stein ins rollen gebracht. Angeblich haben zwei BND-Beamte in Bagdad mit der CIA kooperiert und geholfen, Ziele für Bombardements der US-Armee aufzuklären. Der „Panorama“-Bericht schlug Wellen. Das Parlamentarische Kontroll-Gremium (PKG) des Bundestages trat zu Sondersitzungen zusammen. Im Plenum folgte eine General-Debatte. Zweifel blieben.

2. 

Die BND-Vorwürfe stehen nicht allein im Raum. Vordem war bekannt geworden, dass Deutsche Dienste Gefangene vernommen haben, die in Syrien und auf Guantanamo inhaftiert sind und dort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vordem gefoltert wurden. Das hatte bereits im Spätherbst 2005 zu einer erneuten „Folter-Debatte“ und zu der Frage geführt: Wo ist die Grenze im Anti-Terror-Kampf?

3. 

Hinzu kamen Meldungen, wonach die CIA in Europa geheime Internierungslager unterhalte. Und, dass der US-Geheimdienst ihm verdächtige Personen kidnappt und auch über deutsche Flughäfen in Drittländer verbracht habe, die für Menschenrechtsverletzungen und Folter bekannt sind. Auch das führt zu der Frage: Was wusste die Bundesregierung davon und hat sie das geduldet?

4. 

Konkrete Vorwürfe gibt es gegen Ex-Bundesinnenminister Otto Schily. Er soll vom Botschafter der USA in Deutschland vertraulich informiert worden sein. Darüber, dass ein verdächtiger deutscher Staatsbürger im Ausland gekidnappt und nach Syrien verschleppt wurde. Offen ist bis heute: Haben deutsche Dienste bei alledem mitgewirkt, und wer, außer dem Innenminister, hatte davon noch Kenntnis?

5. 

Die tatsächliche Frage-Liste ist noch viel umfangreicher. Die Antworten darauf sind mehr als spärlich. Das PKG des Bundestages, offiziell zuständig für die Kontrolle der Geheimdienste, ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und obendrein ohne eigenes Prüfrecht. Seine Mitglieder sind auf die Auskünfte beschränkt, die ihnen von der Regierung und von nach geordneten Diensten zugeteilt werden.

6. 

All das und mehr begründete die Forderung der FDP, der Linksfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen nach einem parlamentarischen Untersuchungs-Ausschuss. Er muss eingesetzt werden, wenn 25 Prozent aller Mitglieder des Bundestages dies fordern, also alle drei Oppositions-Fraktionen gemeinsam. Anfang des Jahres sah es noch danach aus. Aber heute scherten die Grünen aus, vorläufig oder endgültig.

7. 

Man kann geteilter Meinung sein, was ein Untersuchungs-Ausschuss praktisch vermag. Allemal, wenn es um Geheimdienste geht, die das Licht von Amts wegen scheuen. Aber die grüne Hoffnung auf die Aufklärungs-Gelüste der Regierung(en) ist noch naiver. Angesichts der offenen Vorwürfe hat sich die Fraktion der Grünen heute als Opposition und als Bürgerrechts-Partei verabschiedet.

8. 

Im Vorfeld der aktuellen Entscheidungen waren Sondierungs-Gespräche zwischen den Fraktionen der FDP, der LINKEN und von Bündnis 90/Die Grünen verabredet. Eines fand statt, das zweite wurde von den Grünen ignoriert, das dritte wurde von den Grünen abgesagt. FDP und Linksfraktion einigten sich schließlich darauf, trotzdem - mit einem offenen Antrag - auf einen Untersuchungsausschuss zu drängen.

PS:
Parallel dazu gab der Europarats-Sonderermittler Dick Marty heute einen Zwischenbericht. Er sprach von „Hunderte Gefangene“, die in den vergangenen Jahren „über Europa in nahöstliche Länder geflogen worden, um sie dort unter Folter zu befragen“. Und er folgerte: „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die europäischen Regierungen oder deren Geheimdienste es nicht wussten.“
Dick Marty beklagte, dass die Regierungen der EU-Staaten seine Ermittlungen blockierten. Und er forderte die Nationalen Parlamente der EU-Staaten auf, sich selbständiger und aktiver um Aufklärung zu bemühen.
 

 

 

24.1.2006
www.petra-pau.de

 

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