Mitwisser, Nutznießer oder Mittäter?
Bundestag, 14. Dezember 2005, CIA in Europa
Rede von Petra Pau
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1. |
Es ist leider ein Gemeinplatz wenn ich sage: Die USA mit ihrem Krieg gegen den Terrorismus ist auch auf dem Kriegespfad gegen Bürgerrechte, gegen Menschenrechte, gegen das Völkerrecht, gegen die Zivilisation.
Sie beruft sich dabei auf eine höhere Moral. Und Präsident Bush folgt sogar einer göttlichen Eingebung. Ich halte das für Gotteslästerung und für unmoralisch.
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2. |
Nun geht es heute nicht um die USA, jedenfalls nicht vordergründig. Es geht um die Fragen: War die deutsche Regierung Mitwisser, waren deutsche Dienste Nutznießer und deutsche Minister Mittäter?
In diesem Zusammenhang erinnere ich an ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes. Es hat festgestellt: Wer indirekt an einem völkerrechtswidrigen Krieg teilnimmt, ist Teilhaber am Krieg und Teilhaber am Völkerrechtsbruch. Gemeint war der Krieg im Irak und gemeint war die Bundesrepublik Deutschland.
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3. |
Derselbe Maßstab gilt natürlich auch im aktuellen CIA-Fall. Es gibt mehr als einen Anfangsverdacht und der Ermittler der EU-Kommission hat erst gestern bekräftigt, dass er viele Anhaltspunkte bestätigt sieht.
Mit anderen Worten: Die CIA hat in der EU illegale Lager unterhalten, sie hat Menschen gekidnappt und über EU-Flughäfen verschleppt, auch über deutsche. Und da stellt sich natürlich die Frage nach deutscher Mittäterschaft.
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4. |
Nun habe ich Sonntagabend erstaunt gehört, wie der Kollege Wiefelspütz in einem Fernseh-Interview meinte: Die offenen Fragen werden schnell aufgeklärt werden, zumal die Bundesregierung - die alte und die neue - daran ein großes Eigeninteresse habe. Ich teile Ihren Optimismus nicht.
Und ich darf Sie daran erinnern: Die PDS im Bundestag - konkret Gesine Lötzsch - hatte bereits im Juni gefragt, was die Bundesregierung über CIA-Folterflüge wisse. Die Antwort war lapidar. Das Eigeninteresse war vielleicht groß, aber mit Aufklärung hatte das nichts zu tun.
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5. |
Über den Fall el-Masri wurde bereits viel gesprochen. Er ist deutscher Staatsbürger, er wurde von der CIA nach Afghanistan verschleppt und dort gefoltert. Wir wissen inzwischen, dass der damalige Bundes-Innenminister vom Botschafter der USA danach ins Bild gesetzt wurde und dass Otto Schily trotz der Ungeheuerlichkeit Stillschweigen gelobte.
Die Kollegen der FDP wundern sich darüber - ich nicht. Unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. 9. 2001 in den USA sprach Otto Schily bereits von einem grauen Krieg, der nun zu führen sei. Ich habe das schon damals als Aufkündigung der Verfassung verstanden. Und genau darum geht es, wenn die Linksfraktion Aufklärung verlangt.
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6. |
Nehmen wir ein weiteres Beispiel. Syrien wurde von den USA zum Schurkenstaat erkoren. Was die USA nicht daran hindert, die dort übliche Folterpraxis als Dienstleistung zu nutzen. Der deutsche Islamist Mohammed Zammar, schreibt der Spiegel, ist einer der vielen dort vergessenen und massakrierten Gefangenen.
Aber ganz so vergessen war er offenbar nicht. Denn das BKA, der BND und der Verfassungsschutz schickte eine hochrangige Abordnung in die Syrische Folterkammer, um eigene Erkenntnisse über Zammar zu sammeln. Der damalige Präsident des BND ist übrigens nunmehr Staatssekretär im Innenministerium. Auch das ruft nach Aufklärung.
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7. |
Vorausgegangen war - ich zitiere wieder den Spiegel - ein Deal zwischen dem Kanzleramt und der Regierung Syriens. Demnach stellte die Bundesrepublik einen Prozess gegen einen angeklagten Syrier ein und Syrien versprach, seine Geheimdienste in Deutschland zu mäßigen.
Der Fall hat noch mehrere unappetitliche Facetten. Aber er führt zu einer nahe liegenden Frage. Soll Außenminister Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) von alledem wirklich nichts gewusst haben? Und wenn Ja, warum schweigt er noch immer, anstatt zur Aufklärung beizutragen?
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8. |
Beim jüngsten Staatsbesuch der US-Außenministerin in Deutschland wurde spekuliert: Was hat Frau Rice wirklich gesagt. Hat sie einen Fehler der USA eingeräumt oder nicht - diplomatisches Schatten-Boxen.
Es geht aber darum, dass Bürgerrechte und Menschenrechte universal sind, dass jede und jeder einen Anspruch darauf hat und dass niemand aus Gutdünken verschleppt und gefoltert werden darf, egal wo und durch wen.
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9. |
Deshalb ist es richtig, wenn sich die EU damit befasst. Ich fände es auch richtig, wenn sich die UNO damit befassen würde.
Aber eines geht nicht: Nämlich, dass sich Bundesregierungen wieder einmal hinter der EU verstecken. Für heute war Aufklärung im Bundestag versprochen. Bislang fand sie nicht statt. Die Linksfraktion fordert sie.
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