Aktuelle Notiz: Misstrauens-Theater

von Petra Pau
Berlin, 1. Juli 2005

1. 

Am Abend der NRW-Wahl, also am 22. 05. 2005, kündigte Bundeskanzler Schröder an, er wolle vorgezogene Neuwahlen für den Bundestag. Eine Selbstauflösung des Bundestages sieht das Grundgesetz nicht vor. Den Ausweg bietet Artikel 86 GG. Der Kanzler stellt die Vertrauensfrage und verliert. Dann kann der Bundespräsident vorgezogene Neuwahlen ausschreiben.

2. 

Bundeskanzler Schröder begründete heute seine Vertrauensfrage. Seine zwei Kernbotschaften hießen: Die „Agenda 2010“ ist alternativlos, aber seine eigene Koalition biete ihm keine Gewähr, die so genannten Reformen fortzuführen. Das erste ist Ansichtssache, denn es gibt Alternativen. Das zweite ist falsch, denn Rot-Grün hatte alles mitgetragen.

3. 

Gesine Lötzsch und ich, wir haben für die PDS im Bundestag mit Nein gestimmt. Nicht, weil wir einen Loyalitäts-Problem mit dem Kanzler hätten. Wir haben einen General-Konflikt mit seiner Politik. Arme werden ärmer, der Sozialstaat wird geschröpft, Bürgerrechte werden abgebaut Kriege werden geführt. Die gesamte rot-grüne Bilanz ist länger und ärger.

4. 

Die zentrale „Reform“ des Kanzlers, die „Agenda 2010“ ist kein Sammelsurium von Gesetzen, die man gut oder schlecht finden kann. Sie ist eine Kampfansage und der Gegenentwurf zu einem modernen, sozialen Bürgerrechtsstaat. Deshalb haben wir für die PDS stets dagegen gestimmt, wir haben die Folgen beleuchtet und wir haben Alternativen vorgestellt.

5. 

Die Misstrauensdebatte heute drehte sich im Kern um diese „Agenda 2010“. Kanzler Schröder verteidigte sie und beklagte das Zögern seine Fraktion. Frau Merkel verteidigte sie und pries die Stringenz der CDU. Guido Westerwelle verteidigte sie und lobte den weiter gehenden Mut der FDP. Sie waren sich alle einig: Der alte Kurs wird der neue: „Agenda 2010“.

6. 

Bemerkenswert: Nahezu alle Rednerinnen und Redner griffen direkt oder indirekt die PDS und die neue Linkspartei an. Sie warfen ihr Populismus und Nähe zu rechten Positionen vor. Der Kanzler tat es, auch die SPD und die Grünen. Sie haben die Taktik gewechselt. Sie versuchen nicht mehr, die PDS schweigend zu belächeln. Sie wittern Gefahr und sie greifen an.

7. 

Die ganze Vertrauensdebatte war natürlich eine Farce, die Abstimmung ebenso. Es war das zweite Mal, dass Bundeskanzler Schröder Artikel 68, Grundgesetz, okkupierte und missbrauchte. Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Staats-Theater-Inszenierung trefflich. Er blieb sich als Bürgerrechtler und Demokrat erneut treu - Respekt!

8. 

PS: Nach der Rede des Kanzlers erhob sich die SPD-Fraktion, die Grünen blieben sitzen. Nach der Rede von Angela Merkel erhob sich die CDU/CSU-Fraktion, die anderen bleiben sitzen. Nach der Rede von Josef Fischer erhoben sich die SPD und die Grünen, die anderen blieben sitzen. Und nach der Rede von Gesine Lötzsch stand die PDS - komplett.
 

 

 

1.7.2005
www.petra-pau.de

 

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