Ein Armutszeichen des Bundestages

Bundestag, 11. März 2005, „Versammlungsrecht“
Rede von Petra Pau

1. 

Ein Aufmarsch der NPD, ausgerechnet am 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, ausgerechnet am Brandenburger Tor, ist schwer hinnehmbar und soll verhindert werden. Das ist Konsens.
Deshalb begrüßt die PDS auch, dass sich das breite Berliner „Bündnis für ein Europa ohne Rassismus“ reaktiviert hat und dass auch alle Parteien im Bundestag zur Zivilcourage für Frieden und Demokratie aufrufen wollen.
Denn das entscheidende Signal gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Nationalismus kann niemand anderes geben, als die Gesellschaft selbst, die Bürgerinnen und Bürger. Die PDS unterstützt das ausdrücklich.

2. 

Heute geht es um staatliche Sperren, um Änderungen im Versammlungs- und Strafrecht. Sie sollen rechtsextreme Aufmärsche verbieten helfen. Dazu gab es am Montag eine Anhörung von Experten.
Dabei warnten nahezu alle vor leichtfertigen und schwerwiegenden Eingriffen in Grundrechte der Verfassung, konkret in das Recht auf Versammlungsfreiheit und in das Recht auf Meinungsfreiheit.

3. 

Danach wurden die ursprünglichen Vorschläge modifiziert. Es bleiben drei: CDU und CSU wollen den befriedeten Bezirk rund um den Bundestag ausweiten. SPD und Grüne wollen das Strafrecht konkretisieren. Und die Länder sollen Gedenk-Orte benennen, an denen die Würde der Opfer nicht demonstrativ verhöhnt werden darf.
 
a) Eine Ausweitung der so genannten Bannmeile lehnen wir ab. Sie wäre zweckfremd und unbotmäßig. Sie träfe auch demokratische Initiativen, die am Brandenburger Tor für ihre Rechte demonstrieren. Wer das dennoch fordert, setzt sich dem Verdacht aus, genau das zu wollen.
 
b) Wir lehnen auch ab, dass Gedenkstätten von besonderer Bedeutung benannt werden. Denn damit würden zugleich Gedenkstätten sowie Opfer erster und zweiter Klasse definiert. Und es würden dort Einfallstore für Nazi-Demonstrationen geöffnet, wo das Präventiv-Verbot nicht gilt.
 
Soweit in aller Sachlichkeit zu den ersten beiden Vorschlägen. Nun zu Ihnen, Kollege Ströbele: Sie meinten, dass nur diejenigen sich Antifaschisten nennen dürfen, welche zu Ihren Schlussfolgerungen kommen und dem hier vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Diesen merkwürdigen Alleinvertretungsanspruch beanspruchten Sie in letzter Zeit immer öfter, wenn es um den Abbau von Bürgerrechten ging, z.B. wenn Sie hier gegen die Eingrenzung des Lauschangriffes oder für das Luftsicherheitsgesetz warben. Die PDS ist eine antifaschistische Partei, meine Kollegin Gesine Lötzsch und ich verstehen uns als Antifaschistinnen, wenn wir uns am Holocaust-Mahnmal befinden oder an der Gedenkstätte der Sozialisten in Lichtenberg oder auf dem Marzahner Friedhof, auf welchem sich das Sammellager für die Berliner Sinti und Roma während der Olympischen Spiele befand. Wir demonstrieren als Antifaschistinnen unsere Einstellung in Halbe und Wunsiedel - aber vor allem im Alltag.
 
c) Ich habe Ihnen gestern schon gesagt, der Konkretisierung des Strafrechts könnten wir zustimmen, vorausgesetzt, SPD und Grüne lassen eine Einzelabstimmung zu.

4. 

Grundsätzlich bleibt die PDS im Bundestag allerdings bei ihrer Kritik:
So lange das Thema Rechtsextremismus vorwiegend im Innen- und Rechtsausschuss und mit umstrittenen Paragrafen behandelt wird, solange agieren wir am Ende des Problems und nicht an den Wurzeln.
CDU/CSU, SPD und Grüne haben sich seit Wochen mit viel Aktionismus selbst unter Druck gesetzt. Eine gründliche, ressortübergreifende Debatte mit dem Ziel der politischen Auseinandersetzung und der gesellschaftlichen Ächtung aber gab es bislang nicht. Das ist ein Armutszeichen des Bundestages.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

11.3.2005
www.petra-pau.de

 

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