Heimische Sonne statt fremder Regen

Bundestag, 17. Dezember 2004, „Radio-Deutsch-Quote“
Rede von Petra Pau

(zu Protokoll gegeben)

1. 

Wir diskutieren über die Frage, ob es in den Medien eine Deutsch-Quote für Musik geben soll oder nicht. Ich kann die Frage auch anders stellen.
Wir diskutieren, was aus der untergegangenen DDR gesamtdeutsch aufgehoben werden sollte und was nicht. Diese Debatte kommt spät. Aber immerhin, sie kommt auf verschiedenen Wegen.

2. 

„Polikliniken“ gelten zunehmend als moderne Alternativen, patientenfreundlich und kostengünstig.
„Gemeinsam lernen“ bis zur 10. Klasse, wird wieder ein Thema, alle Mal nach dem 2. bundesdeutschen PISA-Schock.
Und auch anderswo gibt es Erfahrungen aus der DDR, die entrümpelt und poliert werden können.

3. 

Ich erwähne das nicht, um einer zwiespältigen Ostalgie zu frönen, sondern weil wir alle - Ost und West - 15 Jahre lang etwas Wesentliches verschenkt haben, sachlich und psychologisch.
Sachlich, weil zuviel in Bausch und Bogen mit dem Bade ausgeschüttet wurde, nur weil es aus der DDR kam.
Psychologisch, weil genau das vielen West-Deutschen die Einheits-Lust nahm und vielen Ost-Deutschen Einheits-Frust brachte.

4. 

Nun komme ich allerdings zu meinem ABER: Denn Unsinn wird durch Wiederholung nicht besser. Womit ich wieder bei der Musik-Quote bin. Denn auch dazu gibt es einschlägige Erfahrungen aus DDR-Zeiten.
Die Quote hieß damals „60 zu 40“ - 60 Prozent Ost-Musik und 40 Prozent West-Musik. Sie war staatlich verordnet und sie wurde ständig unterlaufen. So ist das im wahren Leben.

5. 

Hinzu kommen ganz praktische Gründe, warum ich gegen eine gesetzliche Deutsch-Quote für Musik-Sendungen bin.
Haupt-Konsument für Pop-Musik aller Art sind die jüngeren Generationen. Die aber holen sich zunehmend im Internet, was sie hören wollen. Das Internet wiederum lässt sich weder quotieren noch zensieren.

6. 

Hinzu kommt: Deutschsprachige Musik ist im Radio unterpräsent. Das stimmt. Aber die Verkaufszahlen, z. B. im CD-Handel, sprechen eine andere Sprache, nämlich vorwiegend die deutsche.
Deshalb frage ich: Warum wollen sie etwas regeln, was sich kaum regeln lässt - früher nicht und heute erst recht nicht.
Zumal: Sie müssten ihre Prima-Quote sanktionieren und ihre Einhaltung überwachen lassen. Das riecht nach Bürokratie und schlimmer.

7. 

Abschließend, um Irrtümern vorzubeugen: Ich halte hier kein Plädoyer für die weitere Amerikanisierung der Weltkultur. Ich bin für kulturelle Vielfalt und dazu gehört immer auch die Pflege der eigenen Kultur und Sprache.
Aber bitte mit Qualität, nicht per Quote, sonst fordere ich eine Imbiss-Quote für Bockwurst statt Big Mac, eine Film-Quote für Babelsberg statt Hollywood, und eine Wetter-Quote für heimische Sonne statt fremden Regen.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

17.12.2004
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

Übersicht

 

Reden&Erklärungen

 

Lesbares

 

Startseite