„Hartz IV“ öffnet die Schere weiter

Bundestag, 25. November 2004, „Haushalt - Wirtschaft & Arbeit“
Rede von Petra Pau

1. 

Bundesbank meldet
Ich beginne mit einer Meldung, die gestern durch die Bundesbank verbreitet wurde. Demnach haben die Gewinne von Unternehmen und Vermögenden einen neuen Rekordstand erreicht. Zugleich liegt die Lohnquote der Beschäftigten auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren.
Damit belegt die Bundesbank, was die PDS im Bundestag wiederholt kritisiert hat: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer zahlreicher. Das ist kein Naturgesetz. Das ist das Erbe aus der Ära Kohl. Rot-Grün führt es weiter. Wir finden das falsch, ungerecht und unsozial.

2. 

Binnenmarkt lahmt
Damit bin ich mittendrin in der so genannten Arbeitsmarkt-Reform und bei „Hartz IV“. Denn durch sie wird die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet, mit Vorsatz. Auch deshalb lehnt die PDS „Hartz IV“ ab.
Dagegen sprechen auch wirtschaftliche Gründe: Die Rekordgewinne entspringen - wenn nicht Spekulations-Geschäften - dann vor allem dem Export-Boom. Der Binnenmarkt aber lahmt. Er wird durch „Hartz IV“ noch lahmer, weil die Kaufkraft sinkt. Das ist bekannt. Rot-Grün setzt es dennoch durch. Die Opposition zur Rechten zollt Beifall - die PDS nicht.

3. 

Arbeitsplätze gefährdet
Das Wohl und Wehe vieler Unternehmen auf dem Binnenmarkt hängt von der Kaufkraft ab. Die ostdeutschen Wirtschafts- und Arbeitsminister haben hochgerechnet: Mit Hartz IV wird die Kaufkraft allein in den neuen Bundesländern um 1 Mrd. € sinken.
Das macht viele arm, das bedroht kleine und mittlere Unternehmen und damit weitere Arbeitsplätze. Deshalb unsere Prognose: Hartz IV schafft nicht weniger Arbeitslose, sondern mehr arme Arbeitslose nebst Angehörigen. Auch deshalb sagen wir Nein.

4. 

2 Mrd. für Agentur
Rot-Grün hat mit „Hartz IV“ einen Doppelspruch verkündet: „Fordern und Fördern“. Egal, was ich davon halte: Er geht nicht auf - das Fordern schon, das Fördern nicht. Das gilt insbesondere für strukturschwache Regionen, egal ob Ost oder West.
Hinzu kommen nackte Fakten: Die geplante Finanz-Ausstattung der Bundesagentur für Arbeit reicht nicht. Es wäre daher nur ehrlich, ja zwingend, den vorliegenden Haushalt zu korrigieren. Deshalb haben wir beantragt, den Etat der Agentur für Arbeit um 2 Mrd. € aufzustocken.

5. 

Grundgesetz-widrig
Unsere Bedenken gegen „Hartz IV“ sind übrigens nicht nur sozialer oder wirtschaftlicher Natur. Unsere Kritik hat auch einen rechtlichen Boden. Wir halten „Hartz IV“ mit dem Grundgesetz nicht für vereinbar.
Dazu wird die PDS nächste Woche ein Gutachten vorstellen. Und wir werden Betroffene ermutigen, auf dieser Basis ihr Recht einzuklagen. Schließlich will ich wenigstens anmerken, dass „Hartz IV“ mit dem Datenschutz gründlich überkreuz ist. Auch das geht aufs rot-grüne Konto.

6. 

Schwarzer Humor
Nun noch ein Extra-Wort zu den Grünen. Nicht zu allen, denn manche haben sich ihr Bürgerrechts-Herz und ihre soziale Ader bewahrt. Aber sie sind bekanntlich in der Minderheit. Ich höre immer wieder, dass sie die „Hartz“-Gesetze in Jahresfrist überprüfen und notfalls korrigieren wollen.
Das ist schwarzer Humor pur. Jedenfalls für alle, die bis dahin ihre Ersparnisse verbrauchen mussten und die ihrer Angehörigen mit. Und ich wiederhole, was ich bereits gestern gesagt habe: Sie treiben vor allem Frauen in neue Abhängigkeiten. Das ist das Gegenteil von Emanzipation.

7. 

Grüne doppelzüngig
Außerdem gibt es hinreichende Warnungen und Hochrechnungen. Sie besagen: Durch die „Hartz“-Gesetze wird die ohnehin hohe Kinderarmut noch mal erhöht. Von 2,5 Millionen Kindern, die künftig betroffen sein werden, ist die Rede.
Vor diesem Hintergrund ist es geradezu obszön, wenn die Bundestags-Grünen solche Gesetze fassen und anschließend die Hauptstadt-Grünen von der Berliner PDS fordern, sie mögen die üblen Gesetze so umsetzen, dass sie niemandem weh tun. Das ist nicht schlitzohrig, das ist doppelzüngig.

8. 

Ausbildungs-Misere
Mein letzter Punkt zum Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betrifft ein anderes, aber kein besseres Thema. Ich spreche über die Ausbildungsmisere. Wir werden demnächst die aktuellen Zahlen bekommen und feststellen: Wieder wurde ein Versprechen gebrochen.
Rot-Grün hat jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz versprochen. Und sie haben wider besseres Wissen keine Ausbildungsumlage beschlossen. Sie haben im Frühjahr auf halbem Wege kehrt gemacht und auf einen unverbindlichen Pakt gesetzt, den Minister Clement wollte.

9. 

Jugend zahlt
Die Rechnung werden die Jugendlichen zahlen, die wieder leer ausgehen. Die Quittung zahlen die Steuerzahler, die für Ersatz-Programme aufkommen müssen. Die Kosten zahlen jene Klein- und Mittelständigen, die ausbilden, obwohl es ihnen schwer fällt.
Aber auch hier gibt es Gewinner. Nämlich die 75 Prozent der Groß-Unternehmen, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten. Womit ich wieder bei meinem Eingangspunkt bin: „Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer zahlreicher.“
Oder, in den Kategorien der CDU und SPD gesprochen: Mit Patriotismus hat das nichts zu tun. Ich füge hinzu: Mit Zukunft erst recht nicht. Aus all diesen Gründen lehnt die PDS im Bundestag diesen Haushalts-Plan ab.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

25.11.2004
www.petra-pau.de

 

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