Aktuelle Notiz: Blamable „Ein- und Ausblicke 2004“

von Petra Pau
Berlin, 15. September 2004

1. 

Der Bundestag lädt am 17. und 18. September 2004 zu „Tagen der offenen Tür“. Sie stehen erneut unter dem Motto „Ein- und Ausblicke 2004“. Neu ist allerdings, dass die PDS im Bundestag sich und ihre Arbeit nicht präsentieren darf. Das hat mir Bundstagspräsident Wolfgang Thierse per Brief vom 10. September 2004 bestätigt.

2. 

Diese Absage hat eine Vorgeschichte. Dass der Bundestag Tage der „Ein- und Ausblicke 2004“ plant, wurde der PDS im Bundestag nie mitgeteilt, nicht durch den Bundestagspräsidenten, nicht durch Ältestenrat. Wir erfuhren davon zufällig über die Web-Seiten des Bundestages. Ergo fragte ich beim Präsidium nach, wo und wie sich die PDS im Bundestag präsentieren könne. Wir bekamen eine präsidiale Absage.

3. 

Listige Zungen meinen: „Das ist die Neuauflage der monatelangen Tisch-Debatte.“ Andere sagen: „So doof kann doch keiner sein, die machen euch doch nur berühmt.“ Ich kommentiere das nicht. Es gibt keine Pflicht, wohl aber ein Recht, Dummes zu tun. Aber es geht um mehr. Die Ausgrenzung der PDS beim "Tag der Ein- und Ausblicke" ist rechtlich fragwürdig, politisch gefährlich und es widerspricht dem Anliegen.

4. 

Wolfgang Thierse bezieht sich in seiner Antwort auf einen Beschluss des Ältestenrates. An den sei er gebunden, schreibt er. Ob es wirklich einen Beschluss zur Ausgrenzung der PDS im Bundestag gibt oder ob der Bundestagspräsident einen möglichen Beschluss nur so interpretiert, weiß ich nicht. Ich habe gebeten, mir den Beschluss des Ältestenrates umgehend zu schicken, bislang vergebens.

5. 

Aber angenommen, es gäbe so einen Beschluss, dann wäre dieser rechtlich höchst fragwürdig. Er würde sogar erneut eine Verfassungsfrage aufwerfen. Die gegenwärtige Praxis des Bundestages gewichtet Fraktionen höher, als die Rechte der Abgeordneten. Dieses Missverhältnis würde erneut bestätigt. Der Ältestenrat ist nach dem Fraktionsprinzip zusammengesetzt. Einzel- Abgeordnete gehören nicht dazu. Wir werden also per Geschäftsordnung entwertet.

6. 

Artikel 38 (1) Grundgesetz besagt u. a.: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages… sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verpflichtet.“ Wir aber werden an Weisungen konkurrierender Parteien gebunden, die unsere Rechte per Ältestenrat beschneiden. Und der Präsident des Bundestages beruft sich auf genau diese Lesart. Er agiert auf der Kippe.

7. 

Zum rechtlichen Problem gesellen sich politische. Drei seien illustriert. Die „Tage der Ein- und Ausblicke“ sollen anschaulich für den Bundestag und für die parlamentarische Demokratie werben. Was aber ist das für eine Werbung, wenn der Bundestag die eigenen Abgeordneten ausgrenzt und sich damit selbst als undemokratisch präsentiert? Viele Appelle und Klagen gegen Wahlverdruss enttarnen sich so als scheinheilige Sonntagsreden.

8. 

Dabei geht es nicht nur um Gesine Lötzsch und mich. Wir wurden direkt und von insgesamt rund 110.000 Bürgerinnen und Bürger in Berlin-Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf gewählt. Auch diese werden düpiert. Und nicht nur sie, sondern alle, die uns als PDS im Bundestag wahrnehmen und politische Erwartungen in unser Agieren setzen.

9. 

Bei vielen Großthemen, die im Bundestag verhandelt werden, steht es 2 : 4 - zwei Frauen gegen vier Fraktionen. Das ist bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr so, das trifft auf die „Agenda 2010“ zu. Sehr oft ist die PDS im Bundestag die einzige Opposition zur Generallinie der anderen. Nun haben - folge ich Thierses Brief - die anderen vier beschlossen: Die zwei opponierenden PDS-Frauen dürfen sich an den „Tagen der Ein- und Ausblicke“ nicht präsentieren. Schöne Ausblicke, blamierte Demokratie!

10. 

Wir werden natürlich präsent sein und Einblicke in unsere Arbeit bieten. Das sind wir uns schuldig, unseren Wählerinnen und Wählern, und allen, die sich ein möglichst umfangreiches Bild über den Bundestag verschaffen wollen. Es wird sich zeigen, wie weit die Bundestags-Mehrheit sich weiter blamiert. Ich wünsche, sie tut es nicht.
 

 

 

15.9.2004
www.petra-pau.de

 

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