Die Politiken passen nicht zusammen

Bundestag, 29. April 2004, Tagesordnungspunkt „Wohngeld- und Mietenbericht 2002“ (Drs. 15/2200)
Rede von Petra Pau

(es gilt das gesprochene Wort)

1.

Die Bundesregierung hat einen Bericht zum Wohnen, zum Wohngeld und zu Mieten vorgelegt. Das ist wichtig, denn er betrifft einen zentralen Bereich des Lebens überhaupt. Mit einer Wohnung könne man einen Menschen erschlagen, hat Zille mal gesagt. Mit Mietkosten auch, ließe sich ergänzen.

Der Bericht enthält zahlreiche Zahlen, Statistiken und Vergleiche. Nehmen wir sie als gesetzt. Es bleibt ohnehin genug Raum für unterschiedliche Bewertungen.

2.

Ich halte als erstes fest: Im Vergleich zu 1998 gab es 2002 insgesamt 1,6 Millionen Wohneinheiten mehr. Für 38,5 Millionen Haushalte stehen damit 39 Millionen Wohnungen zur Verfügung, zumindest statistisch.

Nun wissen wir alle: Der Durchschnitt bundesweit ist das eine, die konkrete Lage in den verschiedenen Regionen ist etwas anderes. Hinzu kommen große Miet-Differenzen. Und die lassen sich beileibe nicht immer marktwirtschaftlich, schon gar nicht sozial erklären.

Um es grob zu sagen: Rein statistisch haben wir ein Überangebot an Wohnungen. Es gibt aber keine fallenden Mieten. Sie steigen weiter, wenn auch etwas langsamer. Und das belastet jener mehr, die weniger haben, also vor allem Mieterinnen und Mieter mit niedrigen Einkommen.

3.

Daran hat auch die Novelle des Wohngeldgesetzes im Jahre 2001 kaum etwas geändert. Auch ein zweiter Miss-Stand wirkt ungebrochen fort - der Ost-West-Unterschied.

Im Bericht wird eingeschätzt, die jeweiligen Mieten hätten sich weiter angeglichen. Das mag oberflächlich stimmen. Aber zwei andere Fakten gehören gleichsam in die Rechnung. Zum einen sind die Löhne und Gehälter im Osten noch immer deutlich niedriger, als im Westen. Außerdem liegen die Betriebskosten in den neuen Bundesländern zumeist über denen, die in den alten Bundesländern erhoben werden.

4.

Hinzu kommt ein dritter Umstand.

Die Arbeitslosigkeit im Osten ist extrem hoch, mehr als doppelt so hoch, wie im Westen. Das hat Folgen, die sich aufschaukeln.
Zum einen wachsen die Zahl der Wohngeld-Berechtigten und dadurch die finanziellen Belastungen für die Kommunen.

Zugleich erleben wir eine Auswanderungswelle, die in ihrem Ausmaß nur mit der Zeit vor dem Mauerbau vergleichbar ist. Das führt zu einem ungesunden Überangebot an Wohnungen und wiederum zu zusätzlichen Lasten für die Kommunen.

5.

Es macht also wenig Sinn, die eine Wohnungs-Statistik mit der nächsten zu vergleichen. Solange die Wohnungspolitik das eine will und die Arbeitsmarktpolitik das andere bewirkt, so lange kommt nichts Gutes dabei heraus.

Und so lange die Bundespolitik forsch beschließt, was die Kommunen ausbaden müssen, so lange wachsen die Probleme.

Deshalb wiederhole ich: Die Politik von Rot-Grün ist insgesamt nicht schlüssig, sie ist sogar kontra-produktiv. Das steht zwar nicht über ihrem Bericht, aber das zeigt sich im Leben.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

29.4.2004
www.petra-pau.de

 

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