LPG-Schulden

Bundestag, 29. April 2004, Zweiten Lesung des Landwirtschafts-Altschuldengesetzes
Rede von Petra Pau

(zu Protokoll gegeben)

Wir schreiben das Jahr 2004. Ein Problem der deutschen Einheit ist noch immer nicht gelöst: das Problem der so genannten Landwirtschafts-Altschulden. Leider ändern die heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe daran nichts. Deshalb lehnt die PDS im Bundestag beide Gesetzentwürfe prinzipiell ab. Ebenso die dazu gehörigen Anträge, zumal diese nur auf „kosmetische Operationen“ zur Schadensbegrenzung hinaus laufen.

Erstens kann keiner ernsthaft erwarten, dass die PDS einem Gesetz zustimmt, nachdem Anfang der 90er Jahre die erforderliche Wertberichtung verweigert wurde. Sie wäre (wie auch die SPD in der Opposition gefordert hatte) die ökonomisch sauberste Lösung gewesen. Statt dessen wird seit mehr als einem Jahrzehnt eine untergesetzliche, niemals vom Bundestag abgesegnete Altschuldenregelung praktiziert.

Unakzeptabel ist, dass Betriebe für Altkredite ohne Werthaltigkeit bluten sollen.
Die zu DDR-Zeiten kreditfinanzierten Tierbestände sind doch längst nicht mehr da. Die mussten nach der Währungsunion, um Liquidität zu sichern und Löhne zahlen zu können, fürīn „Appel und ein Ei“ verscherbelt werden. Sie wurden nie wieder aufgebaut. Und mit leeren Ställen lassen sich keine Mittel zur Schuldenbezahlung erwirtschaften. Aber das wissen Sie alle selbst.

Eine Zahlungsverpflichtung sehe ich nur für in der Produktion befindliche kreditfinanzierte Objekte.

Zweitens steht für mich auch bei Anerkenntnis der Notwendigkeit einer endgültigen gesetzlichen Lösung fest:
Die hier vorgelegte ist es nicht. Der Regierungsgesetzentwurf ist ein „Verschlimmerungsgesetz“. Das ergibt der Vergleich mit der derzeit geltenden Altschuldenregelung auf Basis Rangrücktrittsvereinbarung und bilanzielle Entlastung.

Dabei verkenne ich nicht, dass durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen einiges verbessert wird - allerdings völlig unzureichend.

Offenbar haben die „Finanzexperten“ der Koalition die Oberhand behalten, obwohl die weit weniger als Sie, verehrte Kollegin Waltraud Wolf, die Lage der LPG-Nachfolger mit Altkrediten kennen.
Auch das ist mir Bestätigung meiner Kritik aus der 1. Lesung, dass bei dieser Bundesregierung fiskalische Interessen Vorrang gegenüber agrarpolitischen Erfordernissen haben.

Fakt ist, dass die Reduzierung des jährlichen Abführungssatz auf 55 % gegenüber 65 % im ursprünglichen Gesetzentwurf (derzeit sind es nur 20 %) eine nach wie vor unangemessen hohe Belastung darstellt.
Selbst unter dieser, politisch als „Verbesserung“ verkauften Bedingung, kommt es, gegenüber den bestehenden Rangrücktrittsvereinbarungen zu einer mehr als 4-fachen Erhöhung der jährlichen Zahlungsverpflichtungen. Auch wegen der unangemessenen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage.

Die von mir in der 1. Lesung genannten Befürchtungen in Bezug auf die Liquidität, Eigenkapitalbildung und Kreditfähigkeit haben sie nicht ausräumen können.
Vielmehr dürfte die Fortführung der Rangrücktrittsvereinbarungen unter verschärften Bedingungen zu einer existenziellen Bedrohung nicht weniger Betriebe werden.
In Anbetracht der viel diskutierten ökonomischen und sozialen Situation Ostdeutschlands, kann ich nicht nachvollziehen, wie Sie, meine Damen und Herren, das ernsthaft verantworten wollen.

Genau so kritisch sehe ich das Hauptanliegen des Gesetzes, die Betriebe mit der eben geschilderte Verschärfung zur Ablösung ihrer Altkredite durch eine betriebliche Einmalzahlung zu nötigen. Immerhin müssten die meisten Betriebe dafür keine billig und schnell zu habenden Neukredite aufnehmen.

Unzumutbar ist, dass die geforderte Prognosebewertung für die künftige Gewinnentwicklung des Unternehmens nicht mit dem Geltungszeitraum der Reform der EU-Agrarpolitik synchronisiert ist. Abgesehen davon, dass trotz Beschlussfassung der nationalen Umsetzung im Bundestag nichts in trockenen Tüchern ist, der Bundesrat bzw. Vermittlungsausschuss hat noch nicht abgestimmt.

Die Landwirte im allgemeinen und hier besonders die vom Altschuldengesetz betroffenen Betriebe können mir bei dieser enormen Politikabhängigkeit, die es so in keinem zweiten Wirtschaftsbereich gibt, nur leid tun. Das hat nichts mit Planungssicherheit zu tun.

Irgendwie scheint es dieser Bundesregierung am Vermögen zur nötigen Komplexität der Problemlösung zu mangeln.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

29.4.2004
www.petra-pau.de

 

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