Manchester-Kapitalismus

Bundestag, 11. März 2004, aktuelle Stunde: „Pläne der Union zu Einschränkungen im Arbeits- und Tarifrecht“
Rede von Petra Pau

(es gilt das gesprochene Wort)

1.

Die Union will die Verbindlichkeit von Tarifverträgen aufheben und den Kündigungsschutz in den ersten vier Beschäftigungsjahren sowie für ältere Arbeitnehmer abschaffen.

Sie will ein generelles Recht auf unbezahlte Mehrarbeit und für Langzeitarbeitslose Löhne unter Tarif einführen. Das waren die Meldungen vom Wochenende.

Die Union nennte das (Zitat) „Weichen stellen für Deutschland“. Ich nenne das für die PDS im Bundestag „urück zum Manchester-Kapitalismus“. Denn nach Ihren Plänen würden Arbeitsnehmer zum Freiwild und der Sozialstaat zum Trauerfall.

2.

Nun höre ich wohl: Nichts werde so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Aber das ändert nichts am Kurs, den die CDU und die CSU einschlagen.

Übrigens nicht erst seit heute. Ich empfehle sehr den so genannten Zukunftsbericht der Freistaaten Bayern und Sachsen aus dem Jahre 1997. Dort wurde bereits vorgeschrieben, was jetzt feilgeboten wird:

Massive Entlastung der Unternehmer, drastische Belastung der Arbeitnehmer, Abschied vom Solidar-Prinzip und Privatisierung der sozialen Risiken.

Obendrein soll in den neuen Bundesländern getestet werden, was später auch den alten blüht: Sozialabbau für große Teile der Bevölkerung.

3.

Ich weiß: Der FDP geht das alles viel zu langsam. Jedenfalls hat sie das erneut beklagt, was zu erwarten war.

Gewundert habe ich mich lediglich über den Aufschrei bei der SPD. Denn fast alles, was im genannten Zukunftsbericht der CDU/CSU angedacht wurde, ist längst Teil der rot-grünen „Agenda 2010“.

Ich nenne hier nur die Kürzung der Arbeitslosen-Hilfe oder den angedrohten Zwang zur Arbeit, egal zu welchen Bedingungen.

4.

Das alles schafft keine Arbeit, es entwertet Arbeit. Was die CDU/CSU allerdings nicht daran hindert, populistisch auf Dummenfang zu gehen. Etwa mit der Parole: „Sozial ist, was Arbeit schafft!“

Das klingt zwar wohlfeil, es stimmt nur nicht, weil Sie keine Arbeit schaffen, sondern nur zu Dumpinglöhnen verrichten lassen. Das aber schafft Armut.

Früher nannte man das Ausbeutung. Heute heißt das „Reform“ oder „Weichen für Deutschland!“ Für ein Drittel - so steht es Schwarz-auf-Weiß im genannten Zukunftsbericht der Union - heißt das angestrebte Ziel allerdings Abstellgleis.

5.

Sie wissen wahrscheinlich, dass am 3. April in Köln, Stuttgart und vor allem in Berlin Zigtausende „gegen die Zerstörung des Sozialstaates“ demonstrieren werden. Ich finde: zu Recht!
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

11.3.2004
www.petra-pau.de

 

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